Die Menschen der Erde wollen Kontakt zu einer Zivilisation im All aufnehmen. Um zum Eridanus zu gelangen, ist es notwendig, Sprungetappen im Kosmos einzurichten. Vor zweihundert Jahren hat deshalb der irdische Konvent, also wohl die höchste Wissenschafts- und Regierungsinstanz, beschlossen, auf dem erdähnlichen Exoplaneten Sinobara die Station Terra 3 einzurichten. Im neunten Jahr des Aufbaus kommt der Leser in der Geschichte an.
Sinobara, der in drei unterschiedliche Klimazonen unterteilt ist (polare Eiswüste, Dürrewüstengürtel in den gemäßigten Breiten und ein Äquatorial-Dschungel) ist nicht einmal ansatzweise erforscht, als die ersten Kolonisten mit dem Aufbau der Basis beginnen. Um die Energieversorgung der Station sicherzustellen, bricht ein Trupp Wissenschaftler in den Dschungel auf – um dort Öl- oder Kohlevorkommen (na gut, da hapert die Logik der Geschichte etwas…) zu suchen. Diese erste Forschertruppe kehrt nicht zurück aus dem Urwald. Auf den Spuren der Verschollenen stoßen die Mitglieder der zweiten Expedition auf dem nahezu tierlosen Planeten auf eine seltsame Pflanzenart: die „Mobilophyten“. Pflanzen, die sich fortbewegen können, sich von libellenartigen „Bichordaten“ ernähren und noch zahlreiche weitere Rätsel bereithalten. Stellen sie eine Gefahr für die Expedition dar? Oder gar für die Basis?
Geschickt baut Thomas Karl Reich die Handlung auf eine spannungsgeladene Gruppe auf: Zum einen ist da der Konflikt zwischen dem Biologen Olof Ingstorn und dem Chemiker Knud Ranson. Beiden hängt eine Geschichte nach, die auf einem anderen Planeten begann (die man gut auch in einem weiteren Buch hätte erzählen können). Der Expeditionsleiter William „Bill“ Higgins soll nicht nur den Konflikt zwischen den beiden Dickschädeln irgendwie bewältigen, sondern darf auch die Aufgabe der Expedition nicht aus dem Blick verlieren: Energieträger für Terra 3 suchen. Dazu kommen gekränkte Eitelkeit, Eifersucht, Kameradschaft. Nicht einfacher werden die Konflikte durch die Einbeziehung der beiden „Nebendarsteller“-Petrologen Yussuf Ulele und Simon Holm.
Im Zentrum der Geschichte steht eine hochwissenschaftliche Betrachtung über die Natur und das geozentrische Verständnis der Astrobiologie: Gibt es eine Lebensform, die zwischen Pflanze und Tier steht? Und wie wäre sie zu erkennnen, zu untersuchen oder überhaupt einzuschätzen? Dazu werden Aspekte des Umweltschutzes behandelt, aber auch ethische Fragen über Kameradschaft und Befehlsnotstand Befehlsnotstand machen die Geschichte unheimlich dicht. Das ganze wird noch unterstützt durch die wechselnde Perspektive des allwissenden Erzählers.
Ob die Mobilophyten nun intelligent sind, wie groß der Grad von Organisation ist: es bleibt bis zum Schluss rätselhaft. Und spannend bleibt es außerdem.
Fazit
Obwohl Sinobara nur so ein dünnes Büchlein ist, wirken darin unglaublich plastische Charaktere. Die Handlung ist erfrischend einzigartig: Geozentrische Überlegungen spiegeln den Grad der menschlichen Unzulänglichkeit bei der Eroberung des Weltraums wider. Dazu kommen jede Menge offene Fragen, die weder vor dreißig Jahren noch heute auch nur ansatzweise geklärt sind.
Von der gesamten Stimmung des Buches ist es am ehesten verwandt mit der durchaus plastischen Schilderung der Zustände in Arne Sjöbergs Die stummen Götter – und das sollte genug als Kompliment für Sinobara sprechen.
Über das Buch Sinobara
Ursprünglich bereits 1982 in der DDR erschienen habe ich die Paperbackausgabe von 1986 gelesen, die in der SF Utopia-Reihe des Verlags Das Neue Berlin erschienen ist. Auf 182 Seiten breitet sich Reich hier mit seiner Geschichte aus. Die Illustration auf dem Umschlag steuern Schulz/Labowski bei.
Im Zombiebunker wird die Erzählung kurz angerissen. Und auch Andreas Reber widmet sich – weitaus intensiver – einer Reflexion über Thomas K. Reichs utopische Erzählung.
Klappentext
Bei der Suche nach Kohlevorkommen im Urwald des Planeten Sinobara stößt ein Geologentrupp auf eine Lebensform, die weder mit irdischen noch mit Erscheinungen anderer Planeten vergleichbar ist. Der Chemiker und der Biologe, einst Freunde, seit Jahrzehnten verfeindet, geraten bei der Deutung dieser sich aller Analogieschlüssen entziehenden Wesen dermaßen aneinander, dass die Expedition in eine ausweglos scheinende Lage gerät.
Thomas K. Reichs Roman weist die Kennzeichen anspruchsvoller utopischer Literatur auf: die Verknüpfung einer kühnen wissenschaftlichen Hypothese mit erregenden Menschenschicksalen.
Über den Autor
Thomas Karl Reich wurde 1951 im vogtländischen Reichenbach geboren und erlernte zuerst den Beruf des Automechanikers. Danach studierte er Meteorologie und Geophysik, promovierte 1985 und arbeitete wissenschaftlich vor allem im Bereich der Hydrometeorologie. Seine einzige Veröffentlichung im Science-Fiction-Feld blieb Sinobara (Druck-Nr. 160/137/82; 1982; Gutachten: Hartmut Mechtel, Ekkehard Redlin), davor hatte er zwei historische Erzählungen geschrieben: „Die Sklaven des Hostilius“ (Druck-Nr. 160/125/78; 1978; Gutachten: Ekkehard Redlin, Wolfgang Lange) und „Der Tod des Präfekten“.
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