Lange habe ich mich auf dieses Buch gefreut, jetzt habe ich es in einem einzigen Rutsch gelesen – und kann sagen: âAls die Götter starbenâ ist einfach toll. Nicht nur, dass es eine wunderschöne Zukunftsvision der frühen 1960er Jahre erzählt, es knüpft auch noch einen historischen Thriller in die Handlung ein.
Kurz zur geschichte: Der Ãrchaologe Olden findet auf dem mond bei der Auswertung von Luftaufnahmen einen seltsamen Schatten. Bei der Untersuchung vor Ort stellt sie die Ursache des Schattenwurfs als Trümmer eines auÃerirdischen Raumschiffs dar. Bevor er das Wrackteil sichern kann, versinkt es bei einem Erdrutsch (oder Mondrutsch?). Der Historiker steht mit leeren Händen da.
Der Weltforschungsrat genehmigt im weiteren Verlauf Forschungen auf dem Marsmond phobos. Von der Mondstadt Endymion (in der Krupkat schon 1963 eine Statue aufstellt zur Erinnerung an die drei (!) ersten Raumfahrer, die den Mond besuchten) startet er mit einer Truppe Vertrauter zum vierten Planeten. Dort entdeckt Olden durch Zufall Bauwerke tief im Inneren des Mondes. Und eine Kiste mit mikrofilmähnlichen Stäben.
Ab jetzt wird das Buch auch technisch noch mal eine Qualitätsstufe angehoben. Aus den Daten-Fragmenten auf den Stäben konstruiert Olden die Geschichte des AuÃerirdischen Termon, der vor sechstausend Jahren vom Doppel-Planeten Meju-Ortu kommend ein Ausweichquartier für seine Zivilisation sucht, da die alte Heimat in Trümmer fällt.
Mit einer Erkundungsmission trifft er im Bekaa-Tal (ja, genau: das ist bei baalbek im heutigen Libanon) auf die Ureinwohner der Erde (âImraâ in Meju-Sprache). Die Terassen von Baalbek werden als Landestelle für das groÃe Umzugs-Raumschiff der Mejuaner vorbereitet. Dabei treffen die Mejuaner auf den Kriegssklaven Leth und den Sohn des herrschenden Fürsten Sotas. Beide werden zu Vertrauten der âGötterâ.

Während der Meju-Ortu (der seine Kreisbahn zwischen Mars und Jupiter hatte, dort, wo lange ein Planet namens âPhaetonâ vermutet wurde und wo heute ein Asteroidengürtel ist) in einem Inferno auseinanderfällt, gehen auf den benachbarten Planeten Asteroidenschauer nieder – und zerstören nicht nur ganze Landstriche, sondern auch zwei der Raumfahrt-Kugeln, die das Vorauskommando evakuieren sollen. So gehen die Götter in einem nuklearen Blitz unter.
Die groÃe Frage am Ende des Buches bleibt: Wohin, wenn überhaupt, konnten sich die Mejuaner nach der Katastrophe ihres Sterns vor sechzig Jahrhunderten retten? Und wird Olden Hinweise auf Meju II finden können?
Kommen wir zu den kleinen Anekdötchen rund um die Lektüre. Interessant, weil selten, ist, dass die Geschichte der Gegenwart konsequent im Präsens erzählt wird. Toller Trick, den auch Journalisten gern anwenden, um die Handlung noch näher an den Leser zu bringen. Und obwohl Krupkat in seiner Geschichte weit vorausschaut, Raumschiffe mit Photonenantrieb heraufbeschwört und die Mejuaner über die Technik zur Gravitationsbeeinflussung verfügen lässt, sind im Forscherteam die Frauen für das Kochen verantwortlich.
âHeute hat Li Innendienstâ, bemerkt Wera.
âO weh!â stöhnt Olden. âAuch das noch!â
âWas haben Sie an Li auszusetzen, Erik?â
âAn Li nichts. Nur an ihrer Kochkunst. Unter ihren Händen versagt selbst die modernste Küchenautomatik.â
âNa, na!â
âDoch, Wera!â, pflichtet Gombare bei. âEs ist sehr schlimm. Das erinnert mich immer an die barbarische Sitte unserer Vorfahren.â
âBarbarische Sitte?â
âNun ja, so ein armer Mann musste zeitlebens essen, was seine Frau zubereitete. Es soll Männer gegeben haben, die einfach davonliefen und in ein sogenanntes Wirtshaus gingen. Dort aber war es auch nicht besser. Da lobe ich mir unsere Speiseautomaten. Ich gäbe viel drum, wenn ich heute auf der Erde essen könnte!â
Wera blinzelt ihm zu. âIm Vertrauen gesagt, ich auch. Ich glaube, in dieser Beziehung habt ihr Männer euch während der letzten zehntausend Jahre nicht verändert. Ob es auf anderen Sternen auch so sein mag?â
âWie können Sie an der Gleichheit der gesetzmäÃigen Entwicklung im All zweifeln!â weist Olden sie lachend zurecht.

Zur Ehrenrettung von Krupkats Frauenbild: Wera ist Navigatorin des modernsten Raumschiffes, dass an der AuÃenwerft des Mondes die Forscher aufnimmt und zum Mars bringt.
Ein roboter (âRASAâ, der beim Aufräumen auf dem Marsmond hilft, hat offenbar noch nichts von Asimovs Robotergesetzen gehört.
Und fast könnte man meinen, dass Gerhard Matzke sehr intensiv das Buch gelesen hat, als er selbst in seinem kleinen Jugendroman zum Marsmond Phobos aufbricht.
Auf der Erde, in den Rückblenden von Termon, machen wir dann auch klitzekleine Exkursionen in die Entwicklungsgeschichte der Menschheit unter dem Blickwinkel des Klassenkampfs – aber auch hier ist Krupkat geschickt: es wird niemals aufdringlich.
Religiös wird es nicht nur bei den Betrachtungen zum Auftauchen der Götter aus dem Kosmos. Parallen zu biblischen Geschichten werden von Krupkat ebenso in die Handlung entwickelt. Jetzt wissen wir endlich faktisch, warum Sodom und Gomorrha untergingen, wie Loths Frau zur Salzsäule wurde, welche Rolle das Städtchen Qumran spielte – und wie das mit der Entwicklung des Toten Meeres, der Sumerer und des Zweistromlandes so war, dass vor sechstausend Jahren plötzlich einen irren Sprung in der technologischen Entwicklung hingelegt hat: Keilschrift, Astronomie, Götterkult, Tempelbauten, etc.p.p.
Ãber das Buch âAls die Götter starbenâ

Das in fünf Teile (âEndymionâ, âPhobosâ, âMejuâ, âSodom und Gomorrhaâ, âHeliopolisâ) gegliederte âAls die Götter starbenâ erschien erstmals 1963 im Verlag Das Neue Berlin in der Gelben Reihe. Lektorin war Helga Hielscher und die Illustrationen, die ich für Geschmackssache halte, stammen von Martin Kotsch.
Wer sich für die Problematik der Terrassen von Baalbek näher interessiert, wird sicher auch bei Carlos Rasch fündig. In „Der blaue Planet“ konstruiert er im gleichen Jahr wir Krupkat eine Landung von AuÃerirdischen in der Bekaa-Ebene.
Ãber den Autor

In der Person Günther Krupkats vereinen sich die beiden Berufe, die für einen Science-Fiction-Autor offenbar die perfekte Mischung sind: Ingenieur und Schriftsteller. Am 5. Juli 1905 in Berlin geboren wuchs er direkt in die Zeit des Nationalsozialismus herein. Aus Geldmangel musste er sein Ingenieurstudium abbrechen und schlug sich als Fabrikarbeiter und Elektromonteur, aber auch als Reklametexter, Filmdramaturg und Journalist durch.
Eine erste utopische Erzählung (âOdâ) fiel 1924 bei den Verlagen durch, weil sie ideologisch zu weit links stand. Offenbar blieb er sich und seinen politischen Idealen auch in den Folgejahren treu: durch seinen Widerstand gegen die Nazis musste er in die Tschechoslowakei flüchten.
Nach dem Krieg lebte Krupkat in der ddr, beendete in Berlin sein Ingenieurstudium und arbeitete anschlieÃend wieder für die Presse. Seit 1955 ist er freiberuflich tätig, vor allem im utopischen und phantastischen Feld.
Neben dem utopischen Arbeitsfeld tobt sich Krupkat auch anderweitig aus: 1957 erscheint mit âDas Schiff der Verlorenenâ ein Buch über den Untergang der Titanic. Ein Jahr später kommt dann âDas Gesichtâ heraus, dass er 1962 auch für das Fernsehen bearbeitet. 1960 wird das Schauspiel âAR 2 ruft Ikarusâ aufgeführt. Ein Jahr vor der Mondlandung beschäftigt er sich mit Fernsehspielen wie dem dreiteiligen Fernsehfilm âDie Stunde des Skorpionsâ, der Elemente seines Roman âDie Unsichtbarenâ verwendet und bei dem Krupkat auch Regie führt.
Auf seine Initiative hin gründete sich im DDR-Schriftstellerverband ein Arbeitskreis âUtopische Literaturâ, dessen Vorsitzender er von 1972 bis 1978 war. 1985 gibt es als Lohn für die kontinuierliche Arbeit den Vaterländischen Verdienstorden in Silber.
Seine bekanntesten Werke, die in der Prä-Astronautik der DDR-Science-Fiction angelegt wurden, sind âNabouâ und âAls die Götter starbenâ. AuÃerdem habe ich hier im Blog auch über „Die groÃe Grenze“ aus seiner Feder geschrieben.
Andreas Reber hat sich auf seinem Blog Life in the 22nd century in der Autorenübersicht mit Günter Krupkat auseinandergesetzt. In der Wikipedia findet man Günther Krupkat hier. Auch in FictionFantasy.de gibt es einen Eintrag für Günther Krupkat.
Guten Tag,
der Link zu meinem Blog Life in the 22nd Century führt auf eine Fehlerseite.
Meine Seite ist umgezogen und jetzt über https://www.noon-22ndcentury.de/ zu finden. Auch weitere Links auf meine Webseite werden ab Juni nicht mehr funktionieren (bis dahin als Umleitung).
MfG Andreas Reber
Hallo Andreas! Danke für den Hinweis! Der Link funktioniert bei mir nicht?
Wenn dir Als die Götter starben gefallen hat,dann besorg die mal von Zoltan Cernai:Ballade von der Sintflut.Das war in DDR Zeiten schwer angesagt.Ich besitzt fast vollständig alle DDR SF Bücher.Naja bin 60 Jahre alt und davon 50 Jahre der SF treu geblieben.Heute gibt es leider zu 80 Prozent nur noch Müll.MfG Ralf
Danke für den Tipp! Schaue ich mir mal an!