Lothar Weise – Das Geheimnis des Transpluto

Zwei Kugeln stürzen in Richtung Erde durch den Weltraum. Zwischen beiden tobt offenbar ein hitziges Gefecht. Den dritten Planeten der gelben Sonne erreicht keine der Kugeln. Sie löschen sich vorher gegenseitig aus – aber der Wissenschaft der Erde leisten sie vorher noch einen unschätzbaren Dienst: Sie bstätigen den Fakt, dass hinter dem Pluto noch ein weiterer Planet existiert. Sinnigerweise wird er Transpluto genannt. Und eine Gruppe von Forschern der (sozialistischen Hälfte der) Erde macht sich im Raumschiff „Ziolkowski“ auf den Weg, um die dort vermuteten Außerirdischen unter die Lupe zu nehmen.

Das Geheimnis des Transpluto - Buchcover - Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder
Das Geheimnis des Transpluto – Buchcover – Lothar Weise, Illustration:

Ein gefestigter Klassenstandpunkt hilft bei der Lektüre des Romans von Lothar Weise sehr (wobei er dem Leser aber nicht mit pseudo-philosophischen Abhandlungen den Nerv raubt). Immerhin versuchen doch die Legitimisten, eine Geheimorganisation des kapitalistischen Lagers der Erde, die zum Transpluto zu infiltrieren – und das Heft der mit aller Macht zu ihren Gunsten herum zu reissen.

Zwei Agenten sind an Bord des Super-Raumschiffs, dass sich auf den Weg macht. Der eine ist verblendet und eifrig dabei, die Ziele seiner Organisation mit Drohungen, notfalls auch mit Gewalt umzusetzen. Die andere zweifelt an ihrer Aufgabe – und verliebt sich zu allem Überfluss auch noch in den mitreisenden Reporter. Wird sie den Konflikt lösen können? Und wie geht ihr Team anschließend mit ihr um – mit der Frau, die Schuld auf sich geladen hat? Ein wenig erinnert dieser Konflikt an Viewegs „Ultrasymet bleibt geheim“, in dem auch eine Agentin mit ihrem Schicksal hadert.

Expedition zum Transpluto

"Somonow ahnte, was geschehen sollte. Ein blauweißer Blitz flammte auf, genau über der Entladestraße." - "Das Geheimnis des Transpluto", Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder
„Somonow ahnte, was geschehen sollte. Ein blauweißer Blitz flammte auf, genau über der Entladestraße.“ – „Das Geheimnis des Transpluto“, Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder

Auf dem Transpluto angekommen, findet die Besatzung der „Ziolkowski“ schnell heraus, dass sich Geschichte auch interplanetar gern mal wiederholt. Unversöhnlich stehen sich zwei Lager gegenüber: die sozialistischen Ayörs, fortschrittlich und hilfsbereit – und die Yörs, die in einer Art von Sklavenhaltergesellschaft stehen geblieben sind. Sinnigerweise tragen die Ordnungsorgane der Yörs braune Uniformen…

"Der Konstrukteur war nun dicht heran und blieb stehen. Wenn er jetzt die Arme vorstreckte, würde er die gleichmäíge Wölbung des Fahrzeugbuges berühren." - "Das Geheimnis des Transpluto", Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder
„Der Konstrukteur war nun dicht heran und blieb stehen. Wenn er jetzt die Arme vorstreckte, würde er die gleichmäíge Wölbung des Fahrzeugbuges berühren.“ – „Das Geheimnis des Transpluto“, Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder

In der „Schlammzone“, der Front zwischen beiden Staaten, gehen regelmäßig nukleare Ladungen hoch. Außerdem sind die Außerirdischen ganz gewieft darin, künstliche Gravitation zu erzeugen – und natürlich auch als Waffe einzusetzen. Das macht es nicht einfacher für die „Ziolkowski“-Besatzung, die beiden Männer des Erkundungsschiffes auf der anderen Seite der aufzuspüren. Und dann ist einer der beiden Vermissten auch noch der hartnäckige Agent.

So weit, so spannungsgeladen. Neben der rein haptischen Freunde an diesem wunderschön gestalteten Buch ist es auch noch eine spannende Lektüre: sehr detailverliebt, schöne Rahmenhandlung. Nur leider werden manche Erzählstränge schön eingeführt – dann aber fallengelassen.

Weise hätte dem Transpluto gern noch 100 Seiten mehr spendieren dürfen – oder vielleicht sogar einen Nachdreh konzipieren sollen. Wäre er nicht so früh gestorben, hätte er das vielleicht sogar gemacht. Das Ende ist jedenfalls wie gemacht für einen Cliffhanger. Wird jemals wieder die künstliche Infrarotsonne über dem äußersten der Planeten aufgehen?

Über das Buch „Das Geheimnis des Transpluto“

Das Geheimnis des Transpluto - Schutzumschlag - Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder
Das Geheimnis des Transpluto – Schutzumschlag – Lothar Weise, Illustration: Eberhard Binder

Lothar Weise legt 1962 mit „Das Geheimnis des Transpluto“ seinen ersten wissenschaftlich-phantastischen Roman vor, den er solo geschrieben hat. Erschienen ist das 286 Seiten starke Buch in Halbleinen bei der Buchgemeinschaft der Freien Deutschen Jugend

im Verlag Neues Leben, Berlin (). Die Illustrationen stammen von Eberhard Binder (der sich selbst auch gern mal als Eberhard Binder-Staßfurt schrieb). Die 15 Grafiken sind als Hochglanz-Ganzseiten über das Buch verteilt und mit jeweils ein paar Zeilen aus der Romanhandlung verknüpft. Mit ihrer dunklen Atmosphäre passen sie wunderbar zur Stimmung auf dem äußersten Planeten des Sonnensystems, für den die Sonne nur ein klitzekleiner Stern unter vielen ist – und der seine Energie in Form von Infrarotstrahlung einer künstlichen Sonne in ewigem Wechsel zwischen Dunkelheit und Schummerlicht bekommt.

Klappentext

Zwei riesengrosse Meteoriten nähern sich der Erde, gefolgt von metallisch glänzenden Kugeln – Blitze zucken zwischen ihnen hin und her – eine hell leuchtende Gaswolke dringt in die Erdatmosphäre ein.

Waren es Boten einer bewohnten Welt? Die Spektralanalyse bestätigt es: Die Flugkugeln können nur vom äusseren Planeten des Sonnensystems, dem Transpluto, gekommen sein, der in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt worden war. Aber wie kann dort, Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, hochentwickeltes Leben entstanden sein?

Von Tursk am Aralsker See startet eine mächtige Photonenrakete zum Transpluto. Wenige Stunden vor dem Abflug verschwindet auf geheimnisvolle Weise Pjotr Roi, Hochfrequenzspezialist der Expedition. An seine Stelle tritt Juan Padero. Nur Kerstin Roth weiß, in wessen Auftrag das geschieht – aber sie schweigt. Der geheimnisvolle, unerforschte Planet birgt sensationelle Überraschungen. Eine künstliche Sonne umkreist ihn! Das erste Landefahrzeug des Raumschiffes wird von unbekannten Kräften in eine graue Schlammzone gedrückt. Auch das mächtige Raumschiff wird zur Landung gezwungen.

In einer erregenden, konfliktreichen Handlung gestaltet der Autor die Abenteuer der Transplutoexpedition.

Über den Autor

Alt wurde er nicht, der 1931 in Ebersbach geborene Schriftsteller Lothar Weise. Nach dem Zweiten Weltkrieg absolvierte er eine Lehre zum Weber, stockte dann auf zum Textilingenieur. Schon 1962 wandte er sich dann aber voll und ganz der Schriftstellerei zu. Nach drei Erzählungen und einem Roman („Alarm auf Station Einstein“, „Signale von der Venus“, „Brand im Mondobservatorium“, „Atomfeuer über dem Pazifik“), die er zusammen mit dem schillernden Kurt Herwarth Ball geschrieben hatte. Ball war vor dem Krieg ein glühender Nazi, der zahlreiche nordisch-arische Romane auflegte. Nach dem Krieg wurde er offenbar geläutert – und schrieb dafür stramm kommunistische Texte.

Später schrieb Lothar Weise dann 1962 solo „Das Geheimnis des Transpluto“, gefolgt von „Unternehmen Marsgibberellin“ zwei Jahre später. Nach seinem Tod im Jahre 1966 erschien noch eine weitere Erzählung („Im Eis des Kometen“), die er zusammen mit Kurt Herwarth Ball verfasst hatte.

4 Kommentare

  1. Hallo Herr Baumbach,
    herzliche Grüße von Ihrem „Nachbarn“ aus Waldersee. Es scheint mir, dass Sie in der Beschreibung von Lothar Weises Leben etwas verwechselt haben müssen. Der Autor war Jahrgang 1931 und bei Kriegsende 14 Jahre alt. Wie soll er da ein geläuterter, ehemals glühender Nazi gewesen sein, der in seinem jungen Alter schon nordisch-arische Romane verlegen konnte?

    Mit freundlichen Grüßen
    Andreas Reber

  2. PS: Entschuldigung, ich überlas, dass Sie über Kurt Herwarth Ball schrieben, finde die Erwähnung dessen Vergangenheit an dieser Stelle jedoch unglücklich, weil Lothar Weise mit dem Nazi-Gedankengut auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden sollte.

    MfG Andreas Reber

    1. Er hat mit ihm zusammen veröffentlicht. Ich finde schon, dass das Erwähnung finden kann bei der Betrachtung des schriftstellerischen Werdegangs von Weise. Wenn auch nur als Kuriosum.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.