Gerichtstag auf Epsi - Richard Funk - Illustration: Thomas Schallnau - Buchcover und Schutzumschlag

Gerichtstag auf EPSI – Richard Funk

Elf Lichtjahre von der Erde entfernt treffen in Gerichtstag auf Epsi Kapitän Lar und seine Crew auf einen bewohnten Planeten im System Epsilon Eridani. Das Vorauskommando wird dabei von einem Steinschlag überrascht. Viel größer als der Schreck über dieses Unglück ist aber, dass sie bald darauf auf Leben treffen. Außerirdisches Leben.

Und das sieht aus wie menschengroße Spinnen.

Richard Funk geht in diesem First-Contact-Szenario von 1973, dass der Spannung halber komplett im Präsens geschrieben ist, für diese Entstehungszeit des Buches gewohnt elegant mit den Problemen dieser Begegnung um. Verständigung? Kein Problem. Lass uns einen Automaten dafür bauen! Lebensbedingungen? Kein Problem. Durch einen großen Zufall sind wir auf einem seeeeeehr erdähnlichen Planeten gelandet. Und was ist mit gesellschaftlich-philosophischen Interessenskonflikten? Kein Problem. Die Proletarier aller Planeten vereinigen sich doch und die reine Vernunft siegt doch immer!

Nichtsdestotrotz taucht er aber sehr zügig ein in den großen Konflikt seines Werkes – und der heißt Misstrauen.

Interstellarer Rassismus

Nicht nur die Menschen ekeln sich vor den „Spinnen“ – so sehr, dass Kommandant Lar Anweisung erteilen muss, dass die Wesen mit dem Kunstnamen Epsilonen zu bezeichnen sind. Auch die derart Angesprochenen misstrauen den fremden Eindringlingen in ihre Welt. Und offenbar haben sie aufgrund vorhergehender Ereignisse auch allen Grund dazu.

Aber wer sind denn diese Epsilonen überhaupt? Vier Beine, vier Arme, kugelförmiger Kopf und acht Augen – durch deren Schließen und Öffnen sie miteinander kommunizieren. Die eierlegenden Wesen treffen eine hochwissenschaftliche Auswahl ihrer Eier, die ausgebrütet werden. Nur die Besten sollen leben. Der Nachwuchs wächst ohne Familie in Altersgruppen auf, die später per „Hypnopädie“ in ihren speziellen Berufen angelernt werden. Dabei werden nicht nur die Fähigkeiten eines erfahrenen Wesens übertragen, sondern eine 1:1-Kopie von dessen Gehirn in den Jung-Epsilonen übertragen.

Regelmäßige Tests überprüfen die Leistungsfähigkeit und damit die Verwendung des Individuums für die Gemeinschaft. Die beiden Spitzen-Exemplare werden automatisch Anführer der Gemeinschaft, die unter großer Nahrungsmittelknappheit lebt. Die Aufzucht von „Tripoden“ – einer Art dreibeinigen Geflügels, dass von den Epsilonen lebend zerrissen und verzehrt wird, ist ausgesprochen defizitär.

Nachdem die beiden Ober-Epsilonen ihr erstes Misstrauen gegen die Fremden überwunden haben (in der Hoffnung, Hilfe bei der synthetischen Erzeugung von Nahrung zu bekommen), findet sich die Abordnung der Menschen am „runden TIsch“ mit den Spinnenwesen zusammen.

Der wissenschaftlicher Leiter der irdischen Expedition, Professor Kulmin, gerät dabei mit einem weiteren Kosmonauten aus der Fassung und verärgert die Ober-Epsilonen.

Was soll Kommandant Lar da tun? Er schickt Kulmin und dessen Kompagnon Alef allein zurück zum Raumschiff in den Orbit. Dort kommen beide aber nicht an – weil sie ihren Chef hintergehen und auf der anderen Planetenseite landen. Was die beiden Renitenten dort finden, wirft ein ganz anderes Licht auf die Bewohner des Planeten – und bringt die gesamte Expedition in Lebensgefahr.

So begegnen wir immer wieder einem Motiv in Funks Gerichtstag auf Epsi: interplanetarem Rassismus.

Leseprobe aus Gerichtstag auf Epsi

„Es ist Menschenpflicht, unseren Brüdern zu Hilfe zu kommen. Würden wir es unterlassen, wir könnten uns selbst nicht mehr achten.“ (…)
„Würden Sie jedes Lebewesen als Bruder bezeichnen, nur weil es Menschengestalt hat?“
„Sagt bloß“, ruft Alef, „die Spinnen stehen dir näher!“
Fukudas Antwort klingt wie eine Zurechtweisung. „Über Wert und Unwert eines Vernunftwesens entscheidet nicht seine Gestalt, sondern seine Haltung.“

Dann an dieser Stelle sind wir dem Geheimnis des Epsi schon sehr nahe gekommen. Aber welche Rolle spielen die menschenähnlichen Wesen, die im Kälteschlaf im Inneren des Planeten entdeckt werden? Und sind wir doch mal ehrlich: Was wäre, wenn spinnenähnliche Wesen auf der Erde landen würden? Würden die Erdenbewohner nicht das Militär schicken? Oder würde den Besuchern mit acht Gliedmaßen ein „Gerichtstag auf Epsi“ auch auf der Erde bereitet werden?

Fazit

Am Anfang schreibt Funk recht salopp, später ein sehr tiefgründiges Gesellschaftsstück. In der Mitte des „real existierenden Sozialismus“ ist seine Utopie natürlich Kind seiner Zeit, wird aber niemals penetrant oder aufdringlich. Und bei näherer Betrachtung der Entwicklung, die unsere Gesellschaft gerade in Zeiten von aufblühendem Populismus nimmt, wünsche ich mir manchmal klammheimlich ein wenig mehr Dominanz von Moral, Fortschrittsglauben und Toleranz zurück, die „Gerichtstag auf Epsi“ als erstrebenswert propagiert.

Über das Buch Gerichtstag auf EPSI

Gerichtstag auf Epsi - Richard Funk - Illustration: Thomas Schallnau - Buchcover und Schutzumschlag
Gerichtstag auf Epsi – Richard Funk – Illustration: Thomas Schallnau – Buchcover und Schutzumschlag

Der utopische Roman ist 1973 im Verlag Das Neue Berlin erschienen und „Werner Steinberg in Dankbarkeit“ gewidmet. Ekkehard Redlin (den wir schon von Thomas K. Reichs Roman Sinobara kennen) wurde als Lektor tätig. Die erste Auflagenhöhe betrug (laut Druck-Antrag beim Ministerrat) 20.000 Exemplare. Schutzumschlag und Einband stammen aus der Feder von Thomas Schallnau, der freundlicherweise auch die Erlaubnis erteilte, Umschlag und Cover hier im Weblog zu zeigen (Dankeschön dafür nach Berlin!).

Das Büchlein kostete seinerzeit 7,20 Mark EVP und umfasst 271 Seiten. Zehn Jahre später erscheint Gerichtstag auf Epsi erneut in der Paperback-Reihe SF Utopia im gleichen Verlag. Dort steuern dann Schulz/Labowski die Illustration des Umschlags bei.

Klappentext zu Gerichtstag auf EPSI

Sie ​nennen ihn Epsi, den fremden Planeten, und Kommandant Lar achtet darauf, dass sie seine Bewohner als Epsilonen bezeichnen und nicht etwa als Spinnen, denn mit diesem Wort verbindet sich die Vorstellung mit niederen Tieren.
Gewiss, die irdischen Kosmonauten haben es mit vernunftbegabten Wesen von nichtmenschlicher Gestalt zu tun, darin stimmen alle überein, aber ob man sich mit ihnen verständigen, vielleicht sogar anfreunden kann? Prof. Kulmin zweifelt daran. Kein Wunder, dass er bald mit einem führenden Staatsmann der Epsilonen aneinandergerät. Schlimme Folge: Man zwingt ihn, umgehend den Epsi zu verlassen und zum Raumschiff auf der Parkbahn zurückzukehren. Doch nun fasst der gekränkte Wissenschaftler einen Entschluss, der unvorhergesehene Folgen auslöst und nicht nur die Kosmonauten in eine nahezu ausweglose Lage bringt.
Richard Funk geht in seinem ersten utopischen Roman über das wissenschaftlich-technische Abenteuer hinaus. Er setzt seine Romanpersonen dem Zwang aus, risikogeladene Entscheidungen zu treffen, fordert von ihnen den vollen persönlichen und moralischen Einsatz und lässt sie in Krisensituationen und überraschenden Wendungen ihre Stärken und Schwächen offenbaren. Bemüht auch in der Sprache die Schablone zu vermeiden, findet mehrfach neue Bilder, die dem technischen Element eine poetischen Reiz verleihen.

Über den Autor Richard Funk

Richard Funk , Foto: privat - aus „Die Science-fiction der DDR - Autoren und Werke“ von Simon und Spittel
Richard Funk , Foto: privat – aus „Die Science-fiction der DDR – Autoren und Werke“ von Simon und Spittel

Richard Funk wurde 1926 in Warschau geboren und arbeitete in diversen Berufen. Er studierte Physik, arbeitete als Lektor im Berliner Verlag Technik und später in der Filmfabrik Wolfen. Im Fernstudium wurde er Chemie-Ingenieur und ging in die Dessauer Magnetbandfabrik. Neben Gerichtstag auf Epsi veröffentlichte Richard Funk einige Science-Fiction-Texte in der DDR.

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