Der Tunnel - Buchcover - Bernhard Kellermann, Illustration von Karl Stephan, München

Bernhard Kellermann – Der Tunnel

Ein Jahr vor dem Beginn des ersten Weltkrieges, ein Jahr nach dem Untergang der Titanic legt Bernhard Kellermann einen Klassiker vor. Der Tunnel wird im Laufe der nächsten hundert Jahre in Dutzende Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt. Und dennoch ist er auch heute noch eine spannende Lektüre aus der Zeit, als der Menschheit technisch alles möglich schien – wenn nur ein eiserner Wille, Ingenieurskunst und das passende Kapital zusammenkamen.In der ersten Hälfte des Buches erleben wir die Bemühungen des jungen Ingenieurs Mac Allan, seinen Traum zu verwirklichen, einen Tunnel von der amerikanischen Ostküste bis zum europäischen Festland zu treiben (mit Zwischenstationen auf den Bermudas, den Azoren und in Nordspanien).

Neben den technischen Herausforderungen, die mit dem Bau und der Versorgung des gigantischen Projektes einhergehen, widmet sich Kellermann auch ausführlich den finanzlogistischen Herausforderungen, die das Syndikat unternehmen muss, um das Projekt zu stemmen.

Und dann passiert, was in jedem großen passieren muss: es gibt einen Höhepunkt. Und der ist dem Fall eine Katastrophe. Eine Explosion führt zum Tod tausender Arbeiter – und in seinen Nachwehen zum Verlust des gesamten bürgerlichen Leben Allans: seine Frau und seine Tochter werden von einem wütenden Mob gelyncht. Sein bester Freund entfremdet sich.

Und dann treibt es Kellermann auf die Spitze, indem er der ersten Katastrophe eine weitere folgen lässt: das Finanzgenie des Syndikats gerät ins Straucheln. Die Folgen für das Geld des Unternehmens, die Börsen, ja die gesamte Weltwirtschaft sind fatal.

Und dann muss der Autor den ganzen Schlamassel da wieder herausführen.

Ich greife vor (Achtung, Spoiler!): es gelingt Kellermann, und zwar auf eine durchaus authentische Art und Weise und mit viel Psychologie, das Problem zu lösen.

Nach mehr als zwanzig Jahren fährt Allan persönlich den ersten Zug von Amerika nach Europa – und obwohl er zwölf Minuten Verspätung zu den prognostizierten 24 Stunden Reisedauer hat, ist er dennoch schneller als die schnellsten Motorboote und die deutschen Luftschiffe, die mittlerweile im Linienverkehr den Atlantik überqueren.

Fazit

Sprachlich, von der Dichte der Geschichte und auch von der Tiefe der Charaktere her braucht sich Bernhard Kellermann nicht vor den Großen seiner Zunft zu verstecken: die Tragweite seiner literarischen Idee kann sich locker auch mit einem Jules Verne und Hans Dominik messen.

Der Tunnel im Internet

Bei Dieter Wunderlich gibt es eine ausführliche Inhaltsangabe des Buches. Im bayrischen Literaturportal wird „Der Tunnel“ besprochen, ebenso auch die Biographie des Autors. Auch FictionFantasy setzt sich mit dem Titel Kellermanns auseinander.

Kellermann, der im bayrischen Fürth geboren wurde, wird natürlich auch heute noch in seiner Heimatstadt erinnert. Das Fürther Stadttheater etwa hat ein Musical zum Buch vorgestellt. Der Bayrische Rundfunk hat 1985 ein Hörspiel zum Buch produziert. Das gibt es sogar zwei Mal bei YouTube. Dort findet man auch eine britische Verfilmung des Romanstoffes von 1935. Die erste Leinwand-Adaption gab es bereits 1914, also ein Jahr nach der Veröffentlichung des Buches.

Über das Buch „Der Tunnel“

Der Tunnel - Buchcover - Bernhard Kellermann, Illustration von Karl Stephan, München
Der Tunnel – Buchcover – Bernhard Kellermann, Illustration von Karl Stephan, München

Für 3.80 D-Mark verramscht Heyne in seiner Classics- den Tunnel als Paperback. Auf 208 Seiten wird die zweite Auflage, die mir vorliegt, von Günter M. Schelwokat mehr als dürftig lektoriert und 1974 gedruckt.

Ein ordentliches Lektorat hätte dem Bändchen gut getan – stellenweise stolpert man über ganze Reihen von Rechtschreibfehlern. Und sogar das letzte Wort des Buches enthält einen Fehler – ebenso wie der Rückentext.

Das Umschlagbild steuert Karl Stephan aus München bei. Die ISBN dieser Ausgabe lautet 3-453-30188-9. Ich werde jedoch jetzt mal zusehen, ob ich nicht eine ältere, bessere Fassung dieses zu Unrecht vergessenen Klassikers für das auftreiben kann.

Klappentext

Der Ingenieur MacAllan (sic! Der Protagonist heißt Mac Allan!!!)gewinnt mächtige Vertreter der Hochfinanz für seinen kühnen Plan, eine unterseeische Landverbindung zwischen Europa und Amerika herzustellen.

Der Tunnelbau beginnt, neue Städte entstehen. Spekulanten treten auf den Plan. Gelder aus allen Teilen der Welt kommen in Bewegung, und Arbeiter aus allen Teilen der Welt graben sich durch die Erde.

Dann brechen Katastrophen über das gigantische Projekt herein, und die Tunnelgesellschaft steht vor dem Ruin.

Trotzdem gelingt es MacAllan, alle Widerstände zu überwinden und sein Werk zu Ende zu führen – doch der Preis, den er dafür zahlen muss, ist sein eigenes Lebensglück…

Über den Autor

Bernhard Kellermann (links) 1949 in der Kongreßhalle Leipzig bei den Goethe-Tagen. Quelle: Deutsche Fotothek‎ (via Wikimedia Deutschland)

Im fränkischen Fürth wird Kellermann 1879 in ein protestantisches Elternhaus geboren. Ursprünglich geht er nach München, um sich einem technischen Studium zu widmen – wechselt aber bald in den künstlerisch-literarischen Bereich. Daneben bereist er Europa, Asien und Amerika, bevor er mit „Der Tunnel“ 1913 einen Durchbruch feiert. Der Roman wird in den kommenden 30 Jahren sagenhafte 373. Mal neu aufgelegt.

Im ersten Weltkrieg arbeitet er als Kriegsberichterstatter, nach dem Weltkrieg schreibt er – inzwischen glühender Pazifist – den Roman „Der 9. November“, der von Nazis ins Feuer geworfen wird. Und das, obwohl „Der Tunnel“ angeblich zu Adolfs Hitlers liebsten Büchern gehört haben soll. Er bleibt dennoch nach 1933 in . Nach dem zweiten Weltkrieg fasst er in der DDR Fuß, erhält 1949 für den Roman „Totentanz“ den Nationalpreis der DDR und wird Abgeordneter der Volkskammer. 1951 stirbt er in Klein Glienicke in der Nähe von Potsdam.

Das Portal Nordbayern.de widmet Bernhard Kellermann einen launigen Text zum 60. Todestag – in dem sogar niemand geringeres Franz Kafka über den (da noch jungen) Kellermann zu Wort kommen darf.

Foto: Bernhard Kellermann 1949 in der Kongreßhalle Leipzig bei den Goethe-Tagen. Quelle: Deutsche Fotothek‎ (via Wikimedia Deutschland)

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