Buchcover - Marokkanisches Abenteuer - Otto Schöndube - Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt

Otto Schöndube – Marokkanisches Abenteuer

Ein Marrokanisches Abenteuer verspricht dem jugendlichen Leser – und nimmt uns mit in das nordwestafrikanische Land in einer Zeit des Umbruchs, des Aufbruchs und der blutigen Auseinandersetzung zwischen Besatzern und Besetzten. Ins Jahr 1953 entführt uns der Autor durch den Protagonisten Hans, einen 13-jährigen deutschen Halbwaisen, der bei der reichen Tante in dem exotischen Land dem Cousin Gesellschaft leisten soll.

Nahza - Marokkanisches Abenteuer - Otto Schöndube - Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt
Nahza – Marokkanisches Abenteuer – Otto Schöndube – Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt

Was wie ein typisches Jungen-Abenteuer-Buch seiner Epoche anfängt, entwickelt sich recht schnell in eine Reisestudie, ein Portrait des Lebens auf dem unterentwickelten Lande, dass den Berbern (und Arabern) gehört, aber von der französischen „Schutzmacht“ ausgebeutet wird. Auch Hans' Tante ist mit einem französischen Industriellen verheiratet, der Mangan abbauen lässt von den Einheimischen – auf die er ansonsten nur mit Verachtung herabblickt.

Hans wiederum geht unvoreingenommen an die einheimische Bevölkerung heran. Ja, sogar ein vorschneller Anschlag auf sein Leben durch den gleichaltrigen marokkanischen Jungen Mhamed bringt ihn nicht von seiner humanistischen Grundhaltung ab. Er freundet sich sogar mit Mhamed und dessen Schwester Nahza an, lehrt sie Lesen und Schreiben und lernt von ihnen die arabische Sprache. Auch im liberalen amerikanischen Hauslehrer findet Hans einen Freund.

Stadtansicht - Marokkanisches Abenteuer - Otto Schöndube - Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt
Stadtansicht – Marokkanisches Abenteuer – Otto Schöndube – Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt

Nach einiger Zeit im Buch eskalieren die Ereignisse. Die Marokkaner begehren gegen die Besatzer, die Europäer im Allgemeinen auf. Während Hans' Tante und der Cousin fliehen können, wird der Onkel von einem wütenden Mob gelyncht – so wie der Rest der europäischen Bewohner des Ortes. Nahza, mittlerweile mit dem Pascha des Ortes verheiratet, verhilft dem Jungen zur Flucht und begleitet ihn in die Wüste. Als sie zurückkehren, werden sie Zeuge, wie die Fremdenlegionäre das Massaker im Ort rächen. Auch der Pascha wird getötet. Hans' marokkanischer Heimatort wird zu einem Massengrab für Europäer und Einheimische.

Ein Kaufmann nimmt Nahza und Hans in seiner Karawane mit nach Fes. Hier vollendet sich der marokkanische Kreis für den deutschen Jungen. Er kehrt wieder nach zurück.

Fazit

In einer unglaublich hölzernen und konstruierten Story verpackt Schöndube eine extrem krasse Episode marokkanischer , gepaart mit einem wunderschönen Portrait von Land und Leuten im Atlas. Für ein ist es sehr blutig – das könnte aber auch daran zu liegen, dass für Autor und Leserschaft der Zweite Weltkrieg mit seinen Gräueln noch nicht lange zurückliegt. Damit erreicht der Autor aber auch, dass er sehr aktuell auf ein hochbrisantes Thema literarisch reagiert. Ich frage mich, ob es heute noch Autoren gibt, die so schnell und jugendgerecht auf aktuelle Konflikte eingehen?

historische Einordnung

Zehn Jahre vor der Romanhandlung empfängt der amerikanische Präsident im Anfa-Hotel in Casablanca den Araber Sidi Mohammed V. ben Mulai Jussef. Beim Essen versichert der Amerikaner den Marokkaner des Endes der kolonialen Ausbeutung. Ein Freibrief für den keimenden Nationalismus des nordwestafrikanischen Landes. Mit der Partei „Istiqlal“ baut Mohammed die Zukunft seines Landes auf – ohne Frankreich. Er avanciert zum weltlichen und religiösen Führer der Marokkaner. Der Lohn der Amerikaner: Militärbasen in dem strategisch günstig gelegenen Land.

Berberdorf im Atlas - Foto: Alexander Baumbach
Berberdorf im Atlas – Foto: Alexander Baumbach

Innerhalb von zehn Jahren verspielt die „Istiqlal“ den Kredit in Übersee – die Amerikaner orientieren sich in Richtung Tunesien, die Franzosen haben freie Hand in . Außerdem ist Mohammed dem Berberfürsten und Pascha von Marrakesch Hadsch Tuhami el-Mezwari el-Glaui ein Dorn im Auge. Vor dem Königspalast fahren am 20 August 1953 französische Panzer auf. Mohammed setzt sich mit Familie nach Korsika ab, später nach Madagaskar. In Marrakesch wählen die Berber den Onkel Mohammeds zum neuen Imam (religiösen Führer), seine weltliche Macht als Sherif existiert eh nur auf dem Papier – die französische Schutzmacht in Person von General Guillaume gibt hier den Ton an. In einem letzten Aufbäumen der „Istiqlal“ richten Anhänger Mohammeds in ganz Marokko Blutbäder unter französischen Familien an.

Mehr Informationen über diese turbulente Zeit liefert der damalige Spiegel und auch Die Zeit.

Nur ein paar Monate bleibt dieser Zustand erhalten – dann kehrte Mohammed V. im November 1955 wieder zurück auf den Thron in Rabat. Im Folgejahr beginnen die Verhandlungen über die mit Spanien und Frankreich. Auch die Geschichte der internationalen Zone in Tanger, die – mit einem kurzen spanischen Intermezzo während des Zweiten Weltkrieges – seit 1923 bestand, endet 1956. Mohammed V. wird bis zu seinem Tod 1961 herrschen und von Hassan II. abgelöst.

Über das Buch Marokkanisches Abenteuer

Buchcover - Marokkanisches Abenteuer - Otto Schöndube - Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt
Buchcover – Marokkanisches Abenteuer – Otto Schöndube – Illustrationen: Ursula Mattheuer-Neustädt

Während das Buch Marokkanisches Abenteuer in der 1957 beim Jugendbuchverlag Ernst Wunderlich in Leipzig erschien, kam das Buch anscheinend auch in der BRD vier Jahre später bei Thienemann heraus – dort allerdings unter dem Titel „Feuerzeichen über Marokko“. Die DDR-Ausgabe war mit wunderschönen Federzeichnungen von Ursula Mattheuer-Neustädt illustriert. Im Westen gab es Fotos. Zur gleichen Zeit spielt der Roman Es begann in Tanger von Hammond Innes.

Das Buch gibt es hier zum Download als PDF. Wie legal das passiert, kann ich nicht sagen.

Über den Autor Otto Schöndube

Otto Schöndube bleibt etwas im Dunkeln. Nach Fonoti, der Samoaner beschäftigt er sich mit Marokko. Im Jahr darauf kommt Schiffsjunge Helga heraus. Bis in die 1980er Jahre tauchen Veröffentlichungen von ihm auf – meist im Jugend- und Abenteuer-/Reisesektor. Wer mehr über Otto Schöndube beitragen kann, ist herzlich eingeladen, einen Kommentar zu hinterlassen.

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