Der Krieg ist seit wenigen Jahren vorbei. Heinz Helfgen ist aus der amerikanischen Gefangenschaft heimgekehrt. In den Ruinen Westdeutschlands findet der Kriegsberichterstatter aber keinen Platz in den Redaktionen mehr. âIch radle um die Weltâ, denkt sich der Familienvater 1951 auf dem Arbeitsamt. Mit 3,80 DM in der Hosentasche startet er in Düsseldorf – die ganze Welt, rechtsrum. Der Gedanke wird zum Buchtitel. Und die nächsten zweieinhalb Jahre fährt Helfgen tatsächlich von Abenteuer zu Abenteuer.
Was erstmal sehr phantastisch klingt, bleibt von der ersten bis zur letzten Seite der beiden Bände spannend. Der gelernte Frontreporter versteht es, spektakuläre Geschichten zu erzählen: von der Tigerjagd mit dem vietnamesischen kaiser, Fieberschüben im Orinoco-Dschungel, die Besteigung des Fujijama in Japan. Ob das alles wirklich so passiert ist? Schwer zu sagen. In der jungen BRD hatte Helfgen jedenfalls wohl den Ruf eines karl may. Ich bin da nicht so sicher, ob er nur aufgeschnitten hat. Seine Beobachtungen sind scharf und detailreich. Eventuell hat er etwas aufgehübscht. Aber sind wir doch mal ehrlich: er schreibt für seinen cliffhangerliebenden Leser. Und das macht er sehr gut.

Aus der Perspektive von 2018 ist auÃerdem beeindruckend, was für eine Welt uns Helfgen schildert: im Irak ist noch ein König an der Macht, Persiens Schah hat noch ein paar Jahre Luft, bevor die Mullahs meutern. Pakistan ist eine junge Republik voller Flüchtlinge. In Indochina sitzen deutsche Landser in der Uniform der Fremdenlegion und ahnen vage, dass hier die Kolonisierungspolitik der Franzosen gerade krachen den Bach in Richtung Dien Bien Phu hinuntergeht. Japan steigt aus der Asche des zweiten Weltkriegs empor, die USA sind mitten in der prosperierenden Nachkriegszeit angekommen.

âFür uns an Armut und darum an Sparsamkeit gewöhnte Europäer ist der Bodenreichtum und die Verschwendung in einem Lande wie Venezuela unfaÃbarâ, schildert er seine Beobachtungen in dem südamerikanischen Land, als er einen alten deutschen Kumpel besucht, mit dem er in Kriegsgefangenschaft war. Ãberhaupt trifft Helfgen einige Deutsche auf seiner reise. Und ein Hauptmotiv seiner Erzählungen ist auch immer das hohe Ansehen, dass sein Vaterland so kurz nach dem Weltkrieg in aller Welt (immer noch) genieÃt. Ja, die Volksseele will auch beim Zeitungslesen noch gestreichelt werden.

Ãberhaupt sind es diese kleinen Kniffe, die mich beim Lesen einige Male haben Schmunzeln lassen. Seinen Lebensunterhalt verdient der gelernte Schreiber damit, dass er in den besuchten Ländern Kolumnen schreibt und seine Erlebnisse nach Hause schickt, damit sie in einer groÃen deutschen Boulevardzeitung quasi als Fortsetzungsroman erscheinen. Reich wird man davon sicher nicht – aber es reicht, um weiterzuradeln. Das gute âPatria WKC-Sportradâ wird deshalb auch gern erwähnt (vermutlich, weil das mit der Firma, so bei den Preisverhandlungen ausgemacht wurde. Patria WKC-Räder gibt es übrigens heute noch, auch wenn sie nicht mehr im gleichen Werk hergestellt werden.). Und das gute Stück – echte deutsche Qualitätsarbeit, versteht sich – hält auch bis nach Brasilien durch.

Wahrscheinlich habe ich Helfgen deshalb auch so ins Herz geschlossen, weil ich selbst im vergangenen Jahr die beiden Extremradler Armin Schmidt und Christopher Butsch auf ihrer Radreise von wittenberg bis an die iranisch-pakistanische grenze journalistisch begleitet habe. Und natürlich verfolge ich auch Weltenradler Thomas Meixner aus Raguhn-Jessnitz intensiv, der gerade wieder einmal auf seinem âNasreddinâ in Richtung China kullert.
Hier jedenfalls liegt schon Heinz Helfgens nächstes Buch zum Lesen bereit. âIch trampe zum Nordpolâ heiÃt es. Ich freue mich schon sehr auf die Lektüre.
Ãber das Buch âIch radle um die Weltâ

In zwei Bänden ist âIch radle um die Weltâ von Heinz Helfgen ursprünglich 1954 erschienen und Grundlage für diesen Eintrag. Der erste Band reicht âVon Düsseldorf bis Burmaâ, der zweite Band erstreckt sich über âBurma, Indochina, Japan, USA, Grüne Hölleâ. Beide Büchlein in Halbleinen sind in Gütersloh bei Bertelsmann erschienen. Die Auflage dürfte bei etwa 600.000 Exemplaren liegen.
In einem Band hat die Bielefelder Verlagsanstalt (BVA) 1988 das Buch noch einmal neu von Helfgen korrigieren und erweitern lassen.
Ãber den Autor Heinz Helfgen

Heinz Helfgen, der auch als Radreiseheros der Wirtschaftswunderjahre bezeichnet wurde, ist eigentlich Dr. rer. pol. Heinrich Johann Helfgen. Er wurde am 7. März 1910 in Friedrichsthal/Saar geboren und verstarb am 28. Oktober 1990 in Völklingen.
Der Tausendsassa studierte nach eigener Auskunft Theologie, Psychologie, Geschichte und Staatswissenschaften in München, Bonn, Genf, Chicago, Wien und Rio de Janeiro. Dem frühen Eintritt in die NSDAP folgt Gefängnis unter den Nazis, im Kriege wird er vom Schützen im Bewährungsbataillon zum Kriegsberichterstatter aufsteigen.
Stefan Etzel widmet dem Reiseschriftsteller einen Text. Und auch die Initiative Literaturland Saar beschäftigt sich mit dem schreibenden Landeskind. In der Wayback-Machine finden sich Schnappschüsse einer Gedenkseite für Heinz Helfgen.
Weiterhin sind von ihm erschienen:
- Ich trampe zum Nordpol. Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hundeschlitten und Schlauchboot. Bertelsmann, Gütersloh, 1956
- Spur entlang der Wüste. Fackelträger-Verlag Schmidt-Küster, Hannover, 1961
- Zwischen Gefahr und Geheimnis. Fackelträger-Verlag Schmidt-Küster, Hannover, 1960
- Höllenfahrt ins Paradies. Fackelträger-Verlag, Hannover, 1964
- Gelber Monsun. Verlag Andreas Zettner, Würzburg-Wien, 1968 sowie
- âSpannende Geschichten“. aus dem Bertelsmann Verlag , Gütersloh, aus der reihe „Heinz Helfgen radelt um die Welt
Sehr schöner Text über das Buch von Heinz Helfgen. Mittlerweile gibt es übrigens eine Neuauflage (Text: Der gleiche wie in der Auflage von 1988).
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Ich habe das Buch ( ich radle um die Welt Band 1)im Nachlass meiner Mutter gefunden und es war wunderbar zu lesen. Nun verstehe ich meine Mutter die ganz wild auf reisen war! Nun suche ich Band 2…
Hast du schon mal hier geschaut? Da kann sich auch Suchalarme setzen: https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Angebote/titel=heinz+helfgen+ich+radle+um+die+welt
Naja, siehe oben. Die Neuauflage ist in einem Band und immer noch zu kaufen. Den alten 2. Band zu bekommen, ist vermutlich schwer.
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Hallo,
das Buch habe ich durch einen Zufall bei der Auflösung der Wohnung meiner Großeltern gefunden. Leider erst 1976. Es hat mich sofort interessiert, man kann es immer wieder lesen lesen und findet erneut gefallen an dem Buch.
Ich bin selbst begeisterter Fernradfahrer, doch so eine extrem Tour habe ich mir nie zugetraut. Die vielen Schwarz Weiß Fotos sind etwas ganz Außergewöhnliches.
Die jungen Menschen von Heute haben ja alle Möglichkeiten in Ferne Länder zu kommen Dank Flugzeug.
Selber mit dem Rad bzw. E-Bike hat ja keiner mehr Interesse auf so eine Extremreise. Zum Teil ist es ja auch gar nicht mehr möglich diese Länder zu besuchen. Was sehr Schade ist.
Für mich auf Grund meines Alters leider auch nicht mehr.