Der elektrische Engel - Sven Haupt - Buchcover - Gestaltung: Claudia Gornik [Coverboost]/ Helga Sadowski

Der elektrische Engel – Sven Haupt

Der elektrische Engel ist ein Episodenroman aus der Feder eines Akademikers. Und das merkt man ihm nicht an. Gott sei Dank!

Aber von vorn: In Der elektrische Engel begleiten wir in 15 Kurzgeschichten den Lebensweg von Bettina Calvin. Sie ist Psychologin und weltweit führende Expertin für . Und wird ständig von ihrem militärischen Arbeitgeber entführt, um die Dinge zu kitten, die Damen und Herren in Uniform verbockt haben.

Was eigentlich nach einem klamaukigen Setup klingt, wird ganz schnell ganz tief. Einerseits natürlich schon mal, weil Sven Haupt den Protagonisten mit einer Frau besetzt. So viel Science Fiction gab es wahrscheinlich zuletzt bei Star Trek – Frauen als ernstzunehmende Wissenschaftler (Zynismus aus).

Andererseits schafft der Autor es, mit wenigen sprachlichen Pinselstrichen tief in die Seele dieser Protagonistin hineinzublicken.

Der elektrische Engel beginnt im Kindesalter von Bettina Calvin. Die Tochter eines führenden Wissenschaftlers (der außerdem auch noch alleinerziehend ist, aber das nur am Rande) wächst in einer Welt auf, in der sich viel um künstliche Intelligenz dreht.

Fantasievoll und bunt: ein ganzes Leben in 15 Kurzgeschichten

Fantasievoll und bunt sind die Szenarien: Eine Fee als Computervirus, der gehackte Avatar der besten Freundin – Klein-Betty durchschaut die plumpen Versuche fremder Mächte, an das Wissen ihres Vaters zu kommen, der darüber forscht.

Über die Aufnahmeprüfung zu einem militärischen Studium bis ins Berufsleben der Psychologin mit IT-Hintergrund kommen wir mit. Und da kommt der erste fantastische Hammer. Ein Mensch auf dem Mars wird in Tiefschlaf gesetzt und sein Bewusstsein als Rettungsmaßnahme zur Erde überspielt. Wo ist der Mensch nun? Auf dem Mars? Im Cyberspace? Oder an beiden Orten gleichzeitig? Was hier nach einem ziemlich abgedrehten informatisch-philosophischen Problem klingt, schafft Sven Haupt, locker und flockig zu schildern.

Mit durchgeknallten elektronischen Bewusstseinszuständen plagt sich Betty Calvin auch in weiteren Episoden. Vom Esoterik-Trip mit Samurai-Einlage bis zur Max-Headroom-verdächtigen künstlichen TV-Moderatorin, vom meditierenden Mönch im Reich der Toten bis zum Holodeck für Elite-Soldaten und einem von einer KI gekaperten Bienenschwarm von einer Million künstlicher Drohnen reichen die Schauplätze des aberwitzigen Kurzgeschichten-Romans.

Klimax der Geschichte bilden aber die beiden letzten Geschichten: Fast wie bei Douglas Adams Verkündigungsszene werden wir vor den überdimensionalen künstlichen Kopf geführt, der die Antwort auf die Frage „Sind wir alleine im Universum?“ geben soll. Die ist nicht 42 – und ob sein „Nein“ ernstgemeint ist, will ich nicht spoilern – aber Fakt ist, dass Betty Calvin es schafft, sich am Ende ihres Lebens in die Cyberwelt zu überführen. Und wenn die daraus entstandene KI-Betty im Epilog auf einem Kometen das herausgelöste Bewusstsein eines banalen, irdischen Strafgefangenen therapiert, dann sind wir wieder bei der Frage: was macht das Individuum eigentlich aus? Die Summe seiner Erfahrungen und Moralvorstellungen und biologischen Unzulänglichkeiten – oder reicht nicht auch schon eine Teilmenge davon?

Taufrisch: Der elektrische Engel ist 2018 erschienen

Fast noch taufrisch ist Der elektrische Engel von Sven Haupt im Juni 2018 erschienen. Der Author schickt in seinem Vorwort zwei Gedanken voran: der Beweggrund zum Schreibend des Buches sei eine Figur aus dem Kosmos Isaac Asimovs, und die Kurzgeschichte sei die Keimzelle guter Science Fiction.

Und ich muss sagen: seine Rechnung geht auf. Die lose Aneinanderreihung von 15 Geschichten rund um Betty Calvin liest sich locker weg. Auch ohne Vorwissen zu Isaac Asimov kommt man gut ins Buch – und durch den Kniff mit den Kurzgeschichten kann der Autor sogar immer mal wieder ein wenig die Perspektive drehen und wenden, um die Entwicklung der Hauptfigur zu beleuchten.

Fazit

Sven Haupt ist ein Name, den man sich in der zeitgenössischen deutschen Science Fiction merken sollte. Ähnliche Kragenweite hat in meinem momentanten Bücherstapel etwa Karsten Kruschel. Ich bin gespannt auf seine nächste Geschichtensammlung Der endlose Kreis, die bereits erschienen ist.

Über das Buch Der elektrische Engel

Auf 296 Seiten hat der Mystic-Verlag von Timo Arnold das Buch Der elektrische Engel am 11. Juni 2018 unter der ISBN 978-3947721023 auf den Markt gebracht. Die Kurzgeschichtensammlung ist damit auch das erste Buch im Sortiment dieses sehr jungen Verlages gewesen, der die Geschichten liebevoll lektoriert hat. Die Umschlaggestaltung übernahm Claudia Gornik von Coverboost mit Zeichnungen von Helga Sadowski, die gleichzeitig auch Satz und Lektorat übernahm (Hut ab, gelungen!)

Das Buch ist bei Amazon als Taschenbuch für 10,99 Euro und als E-Book für den Kindle erhältlich.

Klappentext

In einer Welt, in der künstliche Intelligenzen real geworden sind, wird die Psychologin Bettina Calvin zur führende Expertin für autonom denkende Computersysteme. Sie wird immer dann gerufen, wenn die neu erschaffenen, sich selbst bewussten Wesen plötzlich verschwinden, rebellieren oder einfach nur durchdrehen. In ihrer einzigartigen Karriere, die ihr schon in die Wiege gelegt wurde, spiegelt sich die Entwicklung der gesamten Menschheit. Dieser Episodenroman begleitet Bettina Calvin durch die einzelnen Stationen ihres Lebens. Von ihrem ersten bedeutungsvollen Kindertraum bis zur Erfüllung ihrer Aufgabe und noch weit darüber hinaus.

Über den Autor Sven Haupt

Sven Haupt wurde nach Verlagsangaben 1976 in Bonn geboren. Er hat Biologie studiert und 2008 in kognitiver Hirnforschung promoviert. Er arbeitet als IT-Experte für ein -Unternehmen. Seit seiner Jugend schreibt er Blogs, Lyrik und Kurzgeschichten. Näher bin ich nicht an den Autor herangekommen – da er nach Auskunft seines Verlages eher kontaktscheu sei und lieber über seine als über sich selbst spricht.

Mehr Informationen gibt es beim Verlag.

Mittlerweile ist von Sven Haupt neben „Der elektrische Engel“ am 12. November 2018 eine weitere Kurzgeschichtensammlung unter dem Titel Der endlose Kreis als E-Book erschienen. Im Juni 2019 folgte Die Offenbarung des Uhrwerks und zuletzt im April 2020 „Die Sprache der Blumen„.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.