Die Ohnmacht der Allmächtigen - Heiner Rank - Buchcover - Umschlag: Carl Hoffmann

Die Ohnmacht der Allmächtigen – Heiner Rank

Die Ohnmacht der Allmächtigen von Heiner Rank sticht aus der der DDR hervor – und zwar nicht nur stilistisch, weil die so schön bunt und üppig erzählt wird, sondern auch aufgrund der Fragestellungen, die in der phantastischen Literatur der 1970er Jahre in anderen Büchern ganz anders thematisiert wird.

Aber von vorn: Auf einem fremden Planeten Astilot erwacht ein Mensch, der sich wie in einem falschen Film vorkommt. Eben noch ist Asmo – so wird er von den Eingeborenen genannt – auf einer Mission im Sonnensystem unterwegs, plötzlich erwacht er auf einem Planeten des Müßiggangs und des Überflusses. Die vorherrschende Bevölkerung des Planeten (die Dafotil, der Name leitet sich vom englischen „Daffodil“ = „Osterglocke“ ab) hangelt sich von einem Psycho--Drink zum nächsten, keiner arbeitet – und ein Heer von andersfarbigen Menschen(-wesen) verrichtet die niederen Dienste.

Zwischen der Frau Jona, die seiner irdischen Freundin verblüffend ähnelt, und Luka hin- und hergerissen macht Asmo Bekanntschaft mit der Maatschappij – einer Art Religion, Club, Sekte oder Geheimgesellschaft, die sich an Asmo wendet. Denn offenbar ist dieser als einziger in der Lage, destruktiv zu wirken, zu zerstören. Allen anderen Lebewesen auf dem Planeten ist diese Eigenschaft abgezüchtet worden – und die Maatschappij möchte diese Fähigkeit gern ausnutzen, um der Gesellschaft eine Aufgabe zu geben, das Gleichgewicht auf dem Planeten so stören, um den Eingeborenen zu einer sinnstiftenden Tätigkeit zu verhelfen.

Während in vielen anderen phantastischen Geschichten die Frage im Vordergrund steht, wie sich das Individuum entwickeln wird oder soll, geht es in Die Ohnmacht der Allmächtigen vorrangig um die Gesellschaft, die erstrebenswert ist – und dabei kommt Heiner Rank weit über das hinaus, was sonst so in den 1970er Jahren im Ostblock gedacht wurde. Es geht nicht mehr um Kapitalismus (oder Feudalismus) gegen Sozialismus und Kommunismus – es geht darum, ob eine Gesellschaft degeneriert, die im Überfluss lebt. Wir kennen das Phänomen aus der spätrömischen Dekadenzphase – und auch heute fällt mir ein solcher Vergleich in der westlichen Welt immer häufiger ein.

Lange Rede, kurzer Sinn: Protagonist Asmo macht sich auf die Socken, um die Schöpfer-Zivilisation des Planeten zu suchen, die sich in ein Reservat zurückgezogen hat – nur um zu erkennen, die sich diese Aslot in einen künstlichen Ruhemodus der Meditation zurückgezogen haben (ihre eigene Antwort auf das Erreichen der Überfluss-Phase ihrer Gesellschaft). Die Dafotil sind menschliche Diener dieser Spezies gewesen, die freigelassen wurden. Asmo weckt eine der Aslot auf und erfährt, wie man das computergesteuerte Gleichgewicht des Planeten erschüttern kann. Und bei dem Versuch, dieses zu erschüttern, kommt gleich noch die Frage auf den Tisch, was eine Gemeinschaft von Robotern (im sind es Cephaloide, freie Gehirne) als erstrebenswerte Gesellschaftsordnung ansieht – und wie sie reagiert, wenn die die Überflussphase erreicht.

Neben der lässt Heiner Rank aber auch seine Phantasie spielen und entwickelt mit dem „Seko“ eine Zahnplombe, die wie ein Handy funktioniert, dreidimensionales Fernsehen oder Gentechnik.

Fazit

Die Ohnmacht der Allmächtigen wirkt nicht nur mit hochgradig philosophischen Fragen, sondern auch durch seine üppige, lebendige Erzählweise. Zurecht gilt dieser Roman als ein Höhepunkt der DDR-Science-Fiction: bei Gloss-science-fiction.de wird der Roman auf Platz Vier der beliebtesten DDR-SF-Bücher geführt.

Über das Buch Die Ohnmacht der Allmächtigen

Die Ohnmacht der Allmächtigen - Heiner Rank - Buchcover - Umschlag: Carl Hoffmann
Die Ohnmacht der Allmächtigen – Heiner Rank – Buchcover – Umschlag: Carl Hoffmann

Meine Ausgabe des Utopischen Romans Die Ohnmacht der Allmächtigen von Heiner Rank ist erstmalig 1973 im Verlag Das Neue Berlin erschienen. Die zweite Auflage kam 1974 heraus, als Lektor wirkte wieder Ekkehard Redlin. Den Umschlagentwurf des Schutzumschlages gestaltete Carl Hoffmann. Der Endverbraucherpreis (EVP) betrug 7,80 Mark für fesselnde 332 Seiten.

Klappentext

Auf den ersten Blick scheint es ein Paradies zu sein, in das Asmo, der Mann ohne Erinnerung, verschlagen worden ist, ein Land des ungetrübten Genusses, des pausenlos anhaltenden Glücks. Die Dafotil, Bewohner des Planeten Astilot, kennen weder Mangel noch Sorge noch Krankheit, Alter, Unrecht, Strafe, Zwang, Gewalt. Was sie wünschen, geht in Erfüllung, ihr Gruß lautet: „Viel Liebe!“ Und dennoch fällt es Asmo schwer, sich einzuleben.

Das Aromakonzert auf der Duftorgel lässt ihn kalt, Jonas hemmungslose Hingabe befremdet ihn, die Unterwürfigkeit der Dienstautomaten macht ihn traurig, das zügellose Gebaren auf dem Tanzessen widert ihn an. Was soll er hier, wo er ein Fremdkörper ist und allein durch seine Existenz die ausgeklügelte Harmonie gefährdet? Wem dient es, welche Absicht verbirgt sich dahinter? Heiner Rank begnügt sich nicht mit Andeutungen, wie es auf dem Planeten Astilot aussehen könnte, er geht ins Detail, und seine Fantasie ist bis zum letzten Kapitel frisch und unverbraucht. In Landschaften und Bauten, in technischen und sozialen Einrichtungen, in Machtverhältnissen, menschlichen Beziehungen, Gewohnheiten und Anschauungen offenbart sich eine fremdartige Welt, farbig und vielgestaltig, immer wieder neu, überraschend anders, fordert heraus zum Vergleich und zur Wertung.

Die symbolhafte Fabel, eingebettet in eine von starken Spannungshöhepunkten getragene Handlung, stellt Fragen, die in der traditionell sind: Was ist Glück, worin liegt der Sinn des Lebens? Die Antwort ist nicht endgültig, kann es nicht sein, weil jede Zeit auf eigene Weise zu antworten weiß, doch sie führt dahin, dass wir Probleme wiedererkennen, dass wir Befürchtungen und Hoffnungen entdecken, die auch uns bewegen.

Über den Autor Heiner Rank

Heiner Rank wurde am 11. Dezember 1931 in Potsdam-Babelsberg (damals: Nowawes) geboren. Der Autor, der auch unter dem Pseudonym A.G. Petermann schrieb, arbeitete vor allem als Krimi-Autor.

Ursprünglich Industriekaufmann, später Traktorist, Sträfling in der Steinkohle, Regie- und Dramaturgie-Assistent am Landestheater Parchim: die frühe Biographie von Heiner Rank kennt viele Sprünge. In den Strafvollzug geriet er, weil er zu laut darüber nachgedacht hatte, wie man die DDR verlassen könne.

Obwohl er seine Brötchen vorrangig mit Krimis verdiente, wird sein SF-Roman Die Ohnmacht der Allmächtigen in der DDR hochgeachtet. Rank übernimmt den Arbeitskreis Utopische Literatur beim Schriftstellerverband der DDR als Nachfolger von Günther Krupkat. Ab 1988 löst ihn Klaus Frühauf auf diesem Posten ab. Neben Die Ohnmacht der Allmächtigen erschienen von ihm lediglich zwei weitere Science-Fiction-Geschichten (Schöne Bella (1981) und Psychoosmose (1985) – beide Erzählungen als E-Book erhältlich) sowie Begegnung mit einer Fledermaus als 44-minütiges Hörspiel für Kinder für die Stimme der DDR im Jahr 1978.

Heiner Rank starb am 17. November 2014 in Berlin.

Ein wenig hinter die Kulissen des Schriftstellers kann man beim Freundeskreis SF Leipzig werfen – die haben einen Abend mit Heiner Rank in einer Art Protokoll festgehalten.

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