„It’s all about relations“, könnte man Zwischen Zwei Sternen von Becky Chambers in einem kurzen Satz zusammenfassen. Den zweiten Teil der Wayfarer-Trilogie, der am 25. Januar in Deutschland bei Fischer TOR erschienen ist, habe ich sehnsüchtig erwartet, seitdem ich Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten ausgelesen hatte. Und ich kann nur sagen: ich wurde nicht enttäuscht.
In zwei Handlungssträngen arbeitet Becky Chambers an der Geschichte, die sich locker an die Handlung des ersten Teiles anfügt. Nach dem Reset der Künstlichen Intelligenz des Tunnelbohr-Schiffes Wayfarer ist die jungfräuliche KI Lovelace eine stetige Erinnerung für die Crew des Schiffes an ihre geliebte Lovey. Pepper, Technikerin an Bord, hat Mitleid mit dem System, dass von einer anderen, andersartigen KI im Schiff ersetzt werden soll – und installiert sie illegal in einem künstlichen Körper, einem Body-Kit.
Während die neue Lovelace unter dem Namen Sidra versucht, sich in Peppers Heimat Port Coriol an ihren Körper und die neue Situation zu gewöhnen, wird im zweiten Handlungsstrang die Geschichte von Pepper selbst erzählt: die als Arbeitssklavin zum Schrottsortieren gezüchtete Jane 23, die sich aus der Fabrik befreit und fortan von der KI eines aufgegebenen Raumschiffes erzogen auf der Schrottseite eines Planeten aufwächst.
Eigentlich bekommt man mit Zwischen Zwei Sternen gleich zwei Coming-of-Age-Romane zum Preis von einem. Sidra entwickelt sich in ihrer Beziehung zu Pepper und deren Freund Blue, genauso wie sie sich in der selbstgewählten Freundschaft zum Äluoner Tak entwickelt. Gleichzeitig gibt die erwachsene Pepper damit etwas an das Universum zurück, da auch diese sich vom zehnjährigen Sklaven in ihrer Beziehung zur KI Eule zur Frau entwickelt hat.
Im letzten Drittel des Buches verschränken sich beide Handlungsstränge – und mehr wird nicht verraten, um die Spoilergefahr zu senken. Nur so viel: es geht in diesem Bereich des Buches um nichts weniger als Bestimmung. Wofür leben wir? Was unterscheidet uns von Pflanzen, Tieren, künstlichen Intelligenzen? Und wenn wir die Frage näher betrachten: gibt es so einen Unterschied tatsächlich?
Leseprobe:
Eule legte Jane die Hand ihrer Puppe auf den Rücken. Es fühlte sich nach nichts an, doch zu wissen, dass Eule eine Hand dorthin legen wollte, war gut genug. „Als du an jenem Abend nicht nach Hause gekommen bist, dachte ich, ich hätte dich verloren. Aber ich habe keinen Augenblick lang geglaubt, du wärst einfach gegangen. Ich weiß doch, dass du das nicht tun würdest, nicht ohne mir einen Grund zu nennen.“ Sie drückte Jane einen leeren Kuss auf den Kopf. „So läuft das nämlich nicht in einer Familie.“
Fazit
Ein einfühlsames, weibliches, nachdenkliches Buch, dass zwischen Tiefsinn, Melancholie und Kampf gegen die Widrigkeiten einer grausamen Umwelt changiert. Genau wie der Vorgänger-Band ist Zwischen Zwei Sternen eine absolute Lese-Empfehlung.
Über das Buch Zwischen Zwei Planeten
Zwischen Zwei Sternen erschien am 25. Januar 2018 in der deutschen Übersetzung von Karin Will wieder bei Fischer TOR. Karin Will hat auch schon im Vorgängerband eine prima Arbeit geleistet – und solche tollen Gimmicks wie geschlechtsunbestimmte Pronomen im Deutschen nachvollziehbar gemacht. Auf 461 Seiten breitet Becky Chambers die Geschichte aus. Der Originaltitel des Werkes lautet „A Closed and Common Orbit“ – der bei Hoffer & Stoughton in London im Jahr 2016 erschien. Die ISBN in Deutschland lautet 978-3-596-03596-4.
Klappentext:
»Zwischen zwei Sternen« ist Becky Chambers zweiter Science-Fiction-Roman aus dem Wayfarer‑Universum – eine optimistische Space Opera mit High-Tech-Städten auf fremden Planeten, künstlichen Intelligenzen, außergewöhnlichen Aliens und einer gehörigen Portion Tiefgang.
Früher hatte Lovelace ihre Augen und Ohren überall. Als KI-System der Wayfarer bekam sie alles mit, was auf ihrem Raumschiff passierte, und sie sorgte für das Wohlbefinden der Crew, für die Lovelace immer mehr eine Freundin war als nur ein System.
Dann kam der totale Systemausfall. Ihre Crew sah nur eine Möglichkeit, Lovelace zu retten: ein Reboot all ihrer Systeme. Als sie aufwacht, ist sie in einem Bodykit gefangen, eingeschränkt auf modifizierte menschliche Körperfunktionen – in einer Gesellschaft, in der eine solche Umwandlung verboten ist.
Doch Lovelace ist nicht allein: Pepper, eine chaotische Technikerin, die ihr Leben riskiert hat, um die Künstliche Intelligenz zu retten, hilft Lovelace, ihren Platz in der Welt zu finden. Denn Pepper weiß selbst nur zu genau, wie es ist, ganz auf sich allein gestellt zu sein und das Universum neu kennenzulernen…
Zwischen Zwei Sternen im Netz
Der britische Guardian hat sich intensiv mit dem Roman auseinandergesetzt. Und auch bei Seven Circumstances gibt es einen intensiven Text über das Buch von Becky Chambers. Eine deutsche Leseprobe als PDF gibt es direkt beim Verlag.
Über die Autorin Becky Chambers
Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert. Das Buch wurde prompt zu einem Überraschungserfolg.
Im Wayfarer-Zyklus ist außerdem Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten und Unter uns die Nacht erschienen.
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