Geliebte Feindin - Buchcover - Walter Basan

Walter Basan – Geliebte Feindin

Ach herrje! Nicht nur, dass in Geliebte Feindin von Walter Basan das Fass des Unmuts über die französische Vorherrschaft in Marokko auf jeder Seite überkochen will – nein, da muss sich der in Paris ausgebildete, aber marokkanisch-stämmige Anwalt Hassan Cidarja auch noch mit zwei Frauenzimmern herumärgern, in die er gleichzeitig verliebt ist. Die eine, Michèle Fourbon, steht für den französischen Teil des Lebens von Cidarja. Fatime hingegen repräsentiert den arabisch-berberischen Aufstand gegen die Besatzer.

Dummerweise ist sie auch noch die Geliebte von Omar, einem der Köpfe des separatistischen „Schwarzen Halbmondes“, der paramilitärisch organisiert Attentate auf die Franzosen verübt und die Fremdenlegionäre das Fürchten lehrt.

Weite Teile der Romanhandlung spielen in Casablanca
Weite Teile der Romanhandlung spielen in Casablanca. Quelle: Yolanda / Pixabay

Eingebettet in die realen Ereignisse, die im August und September 1955 das nordwestafrikanische Land erschüttern, siedelt Walter Basan diese action- und emotionsreiche Geschichte an. Während sich Cidarja also mit dem Rebellen Omar am Aufstand beteiligt und gleichzeitig den Rivalen Omar bei Fatime ausstechen will, schwankt er zwischen der eigentlich abgeschlossenen Affäre mit der Tochter des Chefs der französischen Kolonie in Marokko, die unerwartet auftaucht – und der jungen Marokkanerin, die ihrerseits auch vom Nektar des „zivilisierten“, westlichen Lebensstiles gekostet hat und dennoch die „Fransi“ bekämpft und von ihnen bekämpft wird.

Minarett in Marrakesch - Foto: Alexander Baumbach
Minarett in Marrakesch – Foto: Alexander Baumbach

Daneben kommen noch die Konflikte zwischen den Arabern und den Berbern zur Sprache – gerade letztere wollen sich wohl offenbar nicht geschlossen an den Aufständen beteiligen. Und außerdem haben die Franzosen und die Amerikaner in Marokko auch noch einen gallischen Hahn miteinander zu rupfen. Hach. Dazu ein paar Deutsche, die sich entweder mit Krediten oder Waffen-SS-Erfahrung einbringen – fertig ist der rasende Tanz der „Geliebten Feindin“.

Wer sich durch die 342 Seiten hindurchgeschlängelt und dabei immer noch den Durchblick behalten hat, ist zumindest rundherum versorgt mit einem Portrait des Konfliktes in Marokko, der schließlich zur Abspaltung und Monarchie von Mohammed V. geführt hat. Na gut – aus einem DDR-Blickwinkel erzählt. Aber der schimmert tatsächlich nur sehr, sehr schwach zwischen den Zeilen hervor. Mag aber auch einfach mal an der Realtität liegen, dass Marokko kein zweites Vietnam wurde.

„Der Islam! – Mann, Cardé! Seit wann kalkulieren Sie mit antiquierten Größen?“ – Er schwieg, denn er musste daran denken, daß Cidarja auch ein Mohammedaner war. Franzosenfreundlich etwa nur wegen der beruhigenden runden Barschecks? – „Wer trägt schon noch Mohammeds Gebetskette um den Hals?“ fragte er dann, um sich selbst zu beruhigen. – „Und die sie nicht mehr tragen, hören Radio Budapest!“ erwiderte Cardé mit der ihm eigenen Nüchternheit. „Die arabischen Sendungen von Radio Budapest und Kairo. Wo die Religion kaputtgeht, hat der Kommunismus leichtes Spiel! Denken Sie an die Bidonvilles! Die Folge…“

Bemerkenswert ist übrigens in der Schilderung der Konflikte, dass Basan es schafft, keine der Seiten zu glorifizieren. Es gibt nicht den „Edlen Wilden“ oder den „Edlen Kolonisten“, nicht den „gerechten Kampf“ – sondern vor allem die Darstellung, dass jeder der Konfliktpartner neben seinen großen, moralischen Zielen auch immer wieder versucht, sein eigenes, kleines, schäbiges, egoistisches Süppchen zu kochen.

Fazit

Actionreich, aber der Autor verliert sich in zu vielen Handlungssträngen. Wer sich für marokkanische Geschichte interessiert, wird hier gut bedient. Als Abenteuerroman oder Liebesgeschichte ist „Geliebte Feindin“ etwas zu anstrengend.

historische Einordnung

Zehn Jahre vor der Romanhandlung empfängt der amerikanische Präsident im Anfa-Hotel in Casablanca den Araber Sidi Mohammed V. ben Mulai Jussef. Beim Essen versichert der Amerikaner den Marokkaner des Endes der kolonialen Ausbeutung. Ein Freibrief für den keimenden Nationalismus des nordwestafrikanischen Landes. Mit der Partei „Istiqlal“ baut Mohammed die Zukunft seines Landes auf – ohne Frankreich. Er avanciert zum weltlichen und religiösen Führer der Marokkaner. Der Lohn der Amerikaner: Militärbasen in dem strategisch günstig gelegenen Land.

Seit den 1950er Jahren ist Marokko unabhängig
Seit den 1950er Jahren ist Marokko unabhängig. Quelle: RonnyK / Pixabay

Innerhalb von zehn Jahren verspielt die „Istiqlal“ den Kredit in Übersee – die Amerikaner orientieren sich in Richtung Tunesien, die Franzosen haben freie Hand in Marokko. Außerdem ist Mohammed dem Berberfürsten und Pascha von Marrakesch Hadsch Tuhami el-Mezwari el-Glaui ein Dorn im Auge. Vor dem Königspalast fahren am 20 August 1953 französische Panzer auf. Mohammed setzt sich mit Familie nach Korsika ab, später nach Madagaskar. In Marrakesch wählen die Berber den Onkel Mohammeds zum neuen Imam (religiösen Führer), seine weltliche Macht als Sherif existiert eh nur auf dem Papier – die französische Schutzmacht in Person von General Guillaume gibt hier den Ton an. In einem letzten Aufbäumen der „Istiqlal“ richten Anhänger Mohammeds in ganz Marokko Blutbäder unter französischen Familien an.

Mehr Informationen über diese turbulente Zeit liefert der damalige Spiegel und auch Die Zeit.

Nur ein paar Monate bleibt dieser Zustand erhalten – dann kehrte Mohammed V. im November 1955 wieder zurück auf den Thron in Rabat. Im Folgejahr beginnen die Verhandlungen über die Unabhängigkeit mit Spanien und Frankreich. Auch die Geschichte der internationalen Zone in Tanger, die – mit einem kurzen spanischen Intermezzo während des Zweiten Weltkrieges – seit 1923 bestand, endet 1956. Mohammed V. wird bis zu seinem Tod 1961 herrschen und von Hassan II. abgelöst.

Über das Buch

Geliebte Feindin - Buchcover - Walter Basan
Geliebte Feindin – Buchcover – Walter Basan

Das kleine gelbe Buch ist 1958 im Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale) in der „Neue Unterhaltungsreihe“ erschienen und wird als „Abenteuerlicher Roman aus Marokko“ beschrieben.

Das Format ist handlich. Auf dem Papp-Einband ist eine Skizze einer Stadtansicht abgebildet, die von Horst Wenzel stammen könnte.

In einem Nachwort wendet sich Walter Basan an seine Leser:

Unter dem Eindruck der wachsenden Erfolge der „Armee Allahs“, die schließlich im ganzen Lande von den Berberstämmen unterstützt wurde, sag sich der Quai d’Orsay im November 1955 wohl oder übel genötigt, der Rückkehr des verbannten Mohammed Ben Jussef zuzustimmen. Wenige Wochen danach warf sich der achtzigjährige Pascha von Marrakesch, El Glaoui, seinem Todfeind mit der Bitte um Vergebung zu Füßen. Am achtundzwanzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung konnte Mohammed der V. von Marokko vor dem Palast in Rabat das baldige Ende des französischen Protektorats verkünden und Verhandlungen in Aussicht stellen, die dem Lande die völlige Unabhängigkeit garantierten. Kaum ein Vierteljahr später – Im Februar 1956 – wurde in Paris ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, das eine mehr als vier Jahrzehnte währende Fremdherrschaft über diesen Teil der arabischen Welt beendete. Die Romanhandlung wurde mit zahlreichen Fakten durchsetzt, denen authentisches Material zugrunde liegt. Seine Beschaffung verdanke ich u.a. der Deutschen Bücherei, Leipzig, Frau Elfriede Kerns, Bochum und Herrn H.S., München.

Über den Autor Walter Basan

Walter Basan wurde am 10. August 1920 in Beyendorf bei Magdeburg geboren und verstarb am 14. Februar 1999 in Magdeburg. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller ist er auch als Autor von Hörspielen bekannt geworden.

Vor dem Krieg lernte er das kaufmännische Handwerk, ging dann in die chemische Industrie. Nach Kriegsende bis zu seinem Tod war er freischaffender Schriftsteller. Nach dem Arbeiteraufstand in der DDR 1953 trat er aus der SED aus, später, nach 1962, wurde er sogar von der Stasi observiert.

Durch seine Kontakte zu Friedrich Bödecker wurden ihm 1966 für mehr als zehn Jahre die Möglichkeit zur Teilnahme an internationalen Konferenzen und Lesungen im nichtsozialistischen Ausland entzogen. Dabei war Basan Interessenvertreter des Schriftstellerverbandes bei der UNESCO-Literatur-Abteilung in Wien.

Trotzdem war er im Schriftstellerverband teilweise mit Leitungsaufgaben betraut. Er bekam die Johannes-R.-Becher-Medaille und die Verdienstmedaille der DDR verliehen. Mehr Informationen über ihn gibt es bei der Universität Magdeburg.

Weitere Buchrezensionen zum Thema Marokko

In der letzten Zeit habe ich von Hammond Innes „Es begann in Tanger“ und von Otto Schöndube „Marokkanisches Abenteuer“ gelesen und hier beschrieben. Alle Bücher hier im Blog um Thema Marokko gibt es hier. Wenn es etwas mehr sein darf, dann sieh auch nach den Büchern, die mit „Afrika“ markiert sind.

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