Die Bäume von Eden - Klaus Frühauf - Buchcover - Umschlag: Stefan Duda und Bernd-Michael Dehnert

Die Bäume von Eden – Klaus Frühauf

In seinem utopischen Roman Die Bäume von Eden nimmt uns mit in einen interessanten Kriminalfall, der aus der Perspektive von 1983 im Jahr 2000 spielt.

Die Welt ist immer noch in zwei Lager geteilt: den sozialistischen Machtblock wie auch den kapitalistischen Westen.

Überraschend ist, dass ein Großteil der Handlung in letzterem spielt – London nämlich.

Zwei durch und durch gefestigte Persönlichkeiten – Horst Bessow, der Trainer der -Mannschaft in „Drive-Ball“ und Tamasuko-san, ein japanischer Diplomat – verlieren kurz nacheinander ihre Beherrschung. Beide verhalten sich völlig ungewöhnlich, enthemmt, brutal, sexuell aufgeladen – und flüchten sich am Ende ihres Ausnahmezustandes in die Krone von Bäumen. Der DDR-Trainer in London, der japanische Diplomat in Paris.

In der DDR wird der Biologe Holger Roßberg mit der Aufklärung der Fälle betraut, da er ohnehin zu einer Konferenz nach London reist und dort verdeckt ermitteln kann, ohne Aufsehen zu erregen.

Ein dritter Fall ereignet sich. Ein Schweizer Weinhändler verliert die Kontrolle über sich.

Zwischen den Zeilen der blicken wir immer wieder in neuartige technische Entwicklungen: KOM-Geräte, die mit Audio- und Videokanal ausgerüstet sind (und in Paris seltsamerweise stets ohne Videobild benutzt werden). Ein Getränk am Automaten bezahlt man selbstverständlich mit Kreditkarte, und Paris und London sind mit einer Passagierrakete verbunden. Dennoch bleibt manches auch ganz beim Alten: die streikenden französischen Taxifahrer etwa.

Nach der Landung in London treffen wir auf eine Gruppe Jugendlicher, die vom Autor wohl logisch aus der Punk- oder Gothic-Bewegung der frühen 1980er Jahre extrapoliert wurden. Vorurteile über die Jugendlichen beschleichen den Protagonisten – und sind am Ende völlig überflüssig.

Brennende Themen der 1980er Jahre tauchen auf: Doping? Natürlich lenken westliche Medien den Verdacht auf sozialistische Sportler. ? In ganz London gibt es nur noch wenige lebende Bäume. ? Fast jeder braucht sie, viele nehmen sie – denn nur mit leistungssteigernden Mitteln kann man sich in der „kapitalistischen Wolfsgesellschaft“ durchsetzen.

Dazu kommen noch ein paar Nebencharaktere: Pat, die Journalistin, die sich wirtschaftlich als Callgirl über Wasser hält. Roger Blake, der Polizist, der zu einem Freund und Helfer von Roßberg wird – ohne dabei die „jahrhundertetiefe Kluft“ zwischen den beiden Gesellschaftssystem zu überwinden.

Dabei kreist die gesamte Story, das Geheimnis hinter dem „Eden-Syndrom“ um Actigen – einer Kunstdroge, einem Medikament, dass sehr an das heutige Viagra erinnert. Und bei aller moralischen Betrachtung des Pharmacal-Werkes, dass dieses Teufelszeug produziert, darf natürlich auch ein Seitenhieb auf den Contergan-Skandal fehlen.

Während Roßberg den Eden-Syndrom hinterherforscht, begegnen wir seinem Kollegen Henderson – dem Wisschenschaftler, der mittlerweile unter Polizeischutz steht. Oder von der Polizei an Kontakt mit der Außenwelt gehindert wird? Jedenfalls wird in dieser Episode schon sehr deutlich, dass Kritik an einem Gesellschaftssystem geübt wird. Aber will Frühauf hier wirklich das kapitalistische London zeigen? Oder spiegelt er hier den Überwachungsapparat der Stasi in der DDR?

Nun – jedenfalls bleibt das Ende vage. Langweilig hingegen wird es bis dahin nicht.

Erik Simon und Olaf R. Spittel gehen in „Die Science-fiction der DDR – und Werke“ ziemlich grob ins Gericht mit Die Bäume von Eden. Dort wird etwa kritisiert, dass Klaus Frühauf etwa „immer wieder ins Dozieren über Biochemie, über pharmazeutische Technologie und über Londoner Wohnviertel“ verfalle. „Nebenbei erteilt er dem Leser politischen Nachhilfeunterricht und zeichnet die Charaktere im Schwarz-Weiß-Schema“.

Leseprobe

Da bringt er also nun diesen Mann, den er sich ganz gut als seinen Freund vorzustellen vermag, zum Flughafen. Begleitet ihn auf dem letz­ten Stück eines Weges, der ihn zurückführen wird in eine Welt, die er selber nur vom Hörensagen kennt, die grau und trist und reglementiert sein soll und die doch von diesem Mann ganz anders geschildert wird. Er hat schon in gewisser Beziehung recht, dieser Holger Roßberg. Durchaus nicht alles läßt sich in gut und böse, in richtig und falsch oder in schön und häßlich einordnen, man muß schon das Ganze in Betracht ziehen, das System, wie Roßberg es zu nennen pflegt. Man mag zu den Dingen stehen, wie man will, es ist wohl nicht zu bestreiten, daß es bei denen dort drüben humaner zugeht, vielleicht auch ruhiger, bestimmt aber füh­len sich die Leute dort sicherer.

Aber vielleicht ist gerade diese Sicherheit der Faktor, der die Effektivi­tät des Systems dort drüben belastet. Zugunsten der Humanität verzich­tet man auf die natürlichen Bedingungen, auf das Prinzip der Auslese. Und dabei hat sich doch gerade das freie Spiel der Kräfte als der Ur­sprung der Produktivität erwiesen. Und selbstverständlich auch als Grund für die tiefgreifenden Differenzen in der Lebensqualität, die eine Leistungsgesellschaft nun mal braucht, um funktionieren zu können. Man hat sich also mit dem Wolfsgesetz abzufinden. Wenn das auch manchmal schwerfällt, wenn das auch dazu führt, daß man sich selbst bis an die Leistungsgrenze zu belasten hat, will man überleben. Und wenn es auch dazu führt, daß man dem Freund nicht zu helfen vermag, weil es Grenzen absteckt, dieses Gesetz, die man nicht überspringen kann, ohne sich den Hals zu brechen. Es gehört auch dazu, daß man den Stärkeren akzeptiert.

Fazit

Klaus Frühauf beschreibt in Die Bäume von Eden eine Gesellschaftskritik, indem er wunderbar mit der Perspektive des Lesers – aber auch des Zensors in den DDR-Verlagen – spielt. Die Story selbst ist rund und atmosphärisch, die Krimi-Geschichte hätte noch etwas mehr Tiefgang vertragen können.

Über das Buch Die Bäume von Eden

Die Bäume von Eden - Klaus Frühauf - Buchcover - Umschlag: Stefan Duda und Bernd-Michael Dehnert
Die Bäume von Eden – Klaus Frühauf – Buchcover – Umschlag: Stefan Duda und Bernd-Michael Dehnert

Die Bäume von Eden ist 1983 im Mitteldeutschen Verlag Halle Leipzig unter der ISBN 3-354-00577-7 erschienen. Das Paperback mit 191 Seiten wird durch einen Umschlag von Stefan Duda und Bernd-Michael Dehnert verziert.

Bei Amazon gibt es noch einige gebrauchte Exemplare käuflich zu erwerben.

Klappentext

Merkwürdiges geschieht: Horst Bessow, Trainer einer DDR-Mannschaft, belästigt nach einem siegreichen Länderspiel in London öffentlich Frau­en und Mädchen und flüchtet, von empörten Menschen verfolgt, in die Krone eines der hohen künstlichen Bäume, wo er sich ein Nest baut, schläft und am Morgen absteigt. Danach kann er sich an nichts erinnern. Pressefotografen haben das Ereignis festgehalten, Journalisten waren am Tatort. Zufall? Ähnlich ergeht es einem japanischen Diplomaten, einem Schweizer Weinhändler… Professor Doktor Roßberg, Biologe, der in London an einem internatio­nalen Kongreß teilnimmt, soll den mysteriösen Vorfall aufklären. Ihm geht eine anonyme Warnung zu, er möge alle Nachforschungen im Fall Bessow einstellen: sein Hotelzimmer wird durchsucht; er wird überfallen. Klaus Frühauf setzt sich in seinem utopischen Roman, der um die Jahr­tausendwende spielt, mit den Problemen des Gebrauchs und des Mißbrauchs von Drogen, Medikamenten und Pharmaka auseinander.

Über den Autor Klaus Frühauf

Klaus Frühauf gilt als einer der wichtigsten DDR-Science-Fiction-Autoren. Geboren wurde er am 12. Oktober 1933 in Halle/Saale, gestorben ist er am 11. November 2005 in Rostock.

Vom Maschinenschlosser wurde er Ingenieur, bevor er sich in den 1970er Jahren dem Schreiben zuwandte. Sein erstes Buch Mutanten auf Andromeda erschien 1974. Seine Themen sind meist in der Biologie/Genetik und deren Einfluss auf die Gesellschaft zu finden. 1988 wurde sein Manuskript für Die Stadt der tausend Augen vom Verlag Neues Leben Berlin abgelehnt. Es erschien erst im Jahr 2000.

In der Wikipedia gibt es mehr von ihm nachzulesen.

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