Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten - Buchcover - Becky Chambers - Mit freundlicher Genehmigung von Fischer/TOR

Becky Chambers – Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten – Wayfarer I

Das Feel-good-Buch des Jahres – das wäre meine kürzeste Zusammenfassung von Becky Chambers erstem Buch „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“. Die Amerikanerin schafft es einfach, in jedem Konflikt, in jeder noch so banalen Situation, Sympathie aufzubauen – und dabei nicht ins Kitschige abzudriften. Der erste Band der Wayfarer-Reihe glänzt durch etwas, dass der heutigen Gesellschaft immer mehr abhanden kommt: der Fähigkeit, Konflikte zu lösen und tolerant mit anderen umzugehen.

Der „lange Weg“ ist ein Roadmovie auf 539 Seiten. Und ich wäre gern noch 500 weitere Seiten mitgeflogen an Bord der Wayfarer. Die von einigen Lesern geäußerte Kritik, das Buch hätte „seine Längen“, teile ich nämlich nicht – denn erstens kann Deep Space schon mal langweilig sein – und zweitens hat man dann tatsächlich mal Zeit, sich auf die Figuren zu konzentrieren. Und die haben es in sich: ein klassischer Haudegen-Kapitän, eine echsenartige, dauerverschmuste Echsen-Pilotin, ein unsympathischer Wissenschaftler, zwei dauerbekiffte Techniker, ein Koch und Bordarzt in Personalunion, die neue Sekretärin – und ein Navigator mit virusbedingter Schizophrenie, der kurz vor dem Sterben ist. Dazu noch einige muntere Gesellen außerhalb des Raumschiffs – fertig ist das turbulente Abenteuer auf dem Weg zum Toremi-Planeten Hedra Ka.

Aber den luftleeren, tiefdunklen Raum kann man auch mit den Worten des Arztkoches beschreiben, dessen Art demnächst aussterben wird:

Hier draußen im leeren Raum herrscht Frieden. Ich habe Freunde und einen Garten zwischen den Sternen und eine Küche voll schmackhafter Dinge. Jetzt mache ich die Leute gesund. Ich kann zwar nicht so tun, als hätte es den Krieg nie gegeben, aber ich habe vor langer Zeit aufgehört, in ihm zu kämpfen. Ich habe diesen Krieg nicht angefangen. Es hätte niemals mein Krieg sein dürfen. (Seite 284)

Überhaupt wird eine Menge geschossen und Krieg geführt und ausgerottet in den Rückblenden des Buches – dennoch ist es kein Actionthriller, den Becky Chambers da hingelegt hat. Auch, wenn die Werbung für das Buch versucht, es in die Nähe zum Star Wars-Universum zu rücken – das ist es nicht.

Eher noch fiel mir hin und wieder eine geistige Nähe zu Douglas Adams auf. Das fällt ganz krass auf, wenn man sich die sympathische Künstliche Intelligenz der Wayfarer namens Lovey anschaut, die ein kompletter Gegenentwurf zu Adams depressiven Roboter Marv aus dem „Hitchhikers Guide To The Galaxy“ ist.

Aber neben der reinen Unterhaltung und Comedy (ja, natürlich: die Autorin ist Amerikanerin) ist natürlich auch ein gut Teil Ethik und Moral auf dem Rezeptblock für den „langen Weg“ gelandet. So hangeln wir uns immer wieder um einige Fragen: Wie gehe ich mit Gewalt um? Wie gehe ich mit der Angst vor Gewalt um? Wann ist Gewalt gerechtfertigt? Wie weit darf Toleranz gehen?

Aber ich will dem Lesevergnügen nicht zu weit vorgreifen.

Ein interessantes Detail ist mir ins Auge gesprungen bei der Lektüre des Buches, in dem so viele Spezies vorkommen, die natürlich auch mit ihrer eigenen Art von Rassismus – dem Speziesismus – klarkommen müssen. Genau wie in unserer heutigen post-faktischen Zeit auf der kleinen Erde kämpfen die Protagonisten des Buches gegen Fake-News – und haben dafür eine Art freiwillige Verifikations-Bruderschaft ins Leben gerufen. So eine Art interstellares Mimikama-Projekt. Sehr interessanter Ansatz.

Mein etwas längeres Fazit zum Buch: Ich habe es in drei Tagen verschlungen und liebe jede einzelne Seite davon. Gottseidank kommt im Januar 2018 der zweite Band auf den deutschen Markt. Außerdem ist für den Sommer 2018 der dritte Band in Originalsprache angekündigt.

Ein schönes Bild von drei der Protagonistinnen an Bord der Wayfarer hat Izzi auf ihrer Webseite gezeichnet.

Mehr Informationen über das Wayfarer-Universum findet man bei TVTropes. Und natürlich gibt es zum Wayfarer-Universum auch ein Fan-WIki.

Über das Buch “Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten”

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten - Wayfarer I - Buchcover - Becky Chambers - Mit freundlicher Genehmigung von Fischer/TOR
Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten – Buchcover – Becky Chambers – Mit freundlicher Genehmigung von Fischer/TOR

Ursprünglich als “The Long Way To A Small, Angry Planet” 2012 im Eigenverlag erschienen (per Kickstarter-Kampagne, später bei Hodder & Stoughton (GB) und Harper Voyager (USA)) hat Fischer TOR den Band von Becky Chambers im Oktober 2016 mit der ISBN 978-3-596-03568-7 herausgebracht. Die deutsche Übersetzung stammt von Karin Will.

Das Buch war für den Arthur C. Clarke Award nominiert. Der bereits in Großbritannien herausgebrachte Nachfolger (im gleichen Universum) A Closed And Common Orbit wird ab dem 25. Januar 2018 ebenfalls bei Fischer TOR in Deutschland erwartet.

Klappentext

Willkommen an Bord der Wayfarer!

Becky Chambers hat mit ›Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten‹ eine zutiefst optimistische Space Opera geschrieben, die uns den Glauben an die Science Fiction (im Besonderen) und an die Menschheit (im Allgemeinen) zurückgibt.

Als die junge Marsianerin Rosemary Harper auf der Wayfarer anheuert, wird sie von äußerst gemischten Gefühlen heimgesucht – der ramponierte Raumkreuzer hat schon bessere Zeiten gesehen, und der Job scheint reine Routine: Wurmlöcher durchs Weltall zu bohren, um Verbindungswege zwischen weit entfernten Galaxien anzulegen, ist auf den ersten Blick alles andere als glamourös.

Die Crewmitglieder, mit denen sie nun auf engstem Raum zusammenlebt, gehören den unterschiedlichsten galaktischen Spezies an. Da gibt es die Pilotin Sissix, ein freundliches und polyamoröses reptilienähnliches Wesen, den Mechaniker Jenks, der in die KI des Raumschiffs verliebt ist, und den weisen und gütigen Dr. Chef, der einer aussterbenden Spezies angehört.

Doch dann nimmt Kapitän Ashby den ebenso profitablen wie riskanten Auftrag an, einen Raumtunnel zu einem weit entfernten Planeten anzulegen, auf dem die kriegerische Rasse der Toremi lebt. Für Rosemary verwandelt sich die Flucht vor der eigenen Vergangenheit in das größte Abenteuer ihres Lebens.

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten‹ wurde für zahlreiche Preise nominiert, u.a. für den Kitschies Award, den Baileys Women’s Prize for Fiction und den Arthur C. Clarke Award.

Über die Autorin des Wayfarer-Universums

Becky Chambers - Foto: Bára Hlín Kristjánsdóttir
Becky Chambers – Foto: Bára Hlín Kristjánsdóttir

Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert. Das Buch wurde prompt zu einem Überraschungserfolg.

Im Wayfarer-Zyklus ist mittlerweile auch Zwischen zwei Sternen und Unter uns die Nacht erschienen.

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