Unter uns die Nacht - Becky Chambers - Buchcover

Unter uns die Nacht – Becky Chambers – Wayfarer III

Mit Unter uns die Nacht legt den dritten Band der Wayfarer-Reihe vor. Und genau wie ihre beiden Vorgänger habe ich jede Seite des Romanes geliebt. Ihre sind wie eine Marzipankartoffel. Aber der Reihe nach:

Unter uns die Nacht weckt allein im Titel bei mir schon Gefühle. Eine meiner schönsten Erinnerungen an die Zeit bei der Luftwaffe ist ein Erlebnis, dass ich über dem Nordatlantik hatte. An Bord eines kanadischen Tankflugzeuges waren wir von einem auf den Ozean hinausgeflogen, in die Nacht. Unter uns im Wasser schimmerten die Ölplattformen mit ihren tausenden von Lichtquellen, die sich im Wasser spiegelten, über uns breitete sich ein imposantes Nordlicht aus, dass sich ebenfalls im Wasser wiederfand. Da ich direkt neben dem Piloten im Cockpit stehen konnte und die KC-130 Hercules quasi von den Füßen bis zum Kopf Vollverglasung hat, fühlte es sich an, als stünde ich in einem Meer von Licht und Sternen. Ich kann also sehr gut das Gefühl nachvollziehen, dass Tessa und die anderen Bewohner des Exodaner-Schiffes Asteria haben, wenn sie in der Kuppel sitzen, deren gefühlter Fußboden den Blick in den Weltraum freigibt – ähnlich der Cupola der Internationalen übrigens, die Alexander Gerst (und ich auch) so toll findet.

Astronaut Scott Kelly posted this photo taken from the International Space Station to Twitter on Dec. 26, 2015 with the caption, „Glass bottom spaceship over the #Bahamas! #GoodMorning from @Space_Station! #YearInSpace“.

Wer einen krassen Handlungsstrang erwartet, atemberaubende Entwicklungen und , der wird bei Becky Chambers enttäuscht sein. So ein Buch ist Unter uns die Nacht nämlich nicht. Genauso wenig wie auch schon der Vorgänger Zwischen zwei Sternen legt Becky Chambers das Augenmerk auf einer ausgeprägten Stimmungsmalerei und Charakterentwicklung. Und in beiden Ebenen spielt sie auf Bundesliga-Niveau.

Die Ereignisse spielen dabei zum Großteil auf der Asteria, einem Kolonistenschiff der Erde (die nach dem Unbewohnbar-Werden von der Menschheit aufgegeben wurde). Nach dem mit außerirdischen Zivilisationen ist die Asteria mit ihren Schwesterschiffen in einem Orbit um eine Sonne, die den Exodanern von den anderen Zivilisationen geschenkt wurde. Und auch, wenn die interstellaren Archen alles bereitstellten für das Überleben der Menschheit, so ist der Alltag auf den Schiffen nach dem Erreichen eines Zieles von Mangel, Einschränkung und Recycling geprägt – was sich sogar soweit fortsetzt, dass es mittlerweile tradiertes Kulturgut ist, seine Toten zu recyceln, um damit buchstäblich den Nährboden für die nächsten Generationen zu legen. Auch, wenn sich viele Menschen mittlerweile von den Kolonisten-Schiffen verabschiedet haben und andernorts siedeln, so gibt es doch einen harten Kern von Exodanern, die nicht im Traum daran denken, ihre Schiffe zu verlassen.

Das ist das Setup, in dem Becky Chambers in fünf Handlungssträngen ihre erzählt.

Und die beginnt dann doch mit einem Knall: in einer Katastrophe biblischen Ausmaßes wird die Oxomoco, einer Schwesterschiff der Asteria, zerstört. Zehntausende Exodaner kommen ums Leben – und bringen die Überlebenden der umliegenden Wohnschiffe auf existenzielle Fragestellungen.

Da ist der Teenager Kip, der auf Teufel komm raus von dem Exodaner-Schiff weg will. Der ebenfalls junge Sawyer, der von einem Planeten kommt und dort keine Familie hat, will dazugehören. Eyas kümmert sich um die Toten ihres Schiffes und will nicht Auswanderen helfen, die Schiffe zu verlassen, sondern Einwanderern ermöglichen, sich in die Gemeinschaft an Bord der Flotte zu integrieren. Isabel, die Archivarin, bewahrt die Vergangenheit der Erde und der Menschen. Und Tessa will das Beste für ihre Familie: ihren alten Vater, die beiden kleinen Kinder und ihren Mann, der ständig auf Montage im All unterwegs ist.

Die Katastrophe auf der Oxomoco ist groß, überwältigend und unfassbar. Als es dann noch zu einer Katastrophe kommt, die quasi im privaten Rahmen stattfindet, treffen die Protagonisten Entscheidungen.

Fazit

Becky Chambers schafft es, einen ganzen über die Wichtigkeit von Familie für das Individuum zu schreiben. Dabei erzählt sie von Gesellschaften, die sich verändern und auf andere Kulturen treffen. Unter uns die Nacht ist dabei voll von Begegnungen mit Vorurteilen und Integrationsschwierigkeiten, enttäuschten Erwartungen und positive Erfahrungen. Das macht das Buch auch zu einem schönen Spiegel unserer heutigen westlichen Gesellschaft – die sich auch heute vor der Frage sieht, wie man mit Zuwanderern umgeht, wie man Familie für sich definiert und was eigentlich ganz individuell wichtig ist in deinem kleinen Leben, dass zwischen den Sternen dahintreibt.

Über das Buch Unter uns die Nacht

Unter uns die Nacht - Becky Chambers - Buchcover
Unter uns die Nacht – Becky Chambers – Buchcover

Unter uns die Nacht von Becky Chambers ist ursprünglich als Record Of A Spaceborn Few auf den Markt gekommen. Meine Paperback-Ausgabe von Fischer TOR trägt die ISBN 978-3-596-70262-6 und kostet 9,99 Euro im Handel. Karin Will hat das Buch aus dem Amerikanischen übersetzt und auf 462 Seiten untergebracht. In den USA ist das Buch 2018 erschienen, in Deutschland im April 2019.

Unter uns die Nacht im Internet

Niall Alexander beschreibt Unter uns die Nacht auf den Punkt genau bei Tor.com. Die Verlinkung zahlreicher anderer Rezensionen erspare ich mir an dieser Stelle, bis mir wirklich lesenswerte unter die Finger geraten – und nicht nur umformulierte Werbetexte des Verlages.

Klappentext

„Von der Erde stammen wir, von unseren Schiffen leben wir, auf die Sterne hoffen wir.“ Seit Jahrzehnten lebt die Menschheit im Exil: Ihre Siedlerschiffe der Exodus-Flotte kreisen um eine neue Sonne, und das Leben mit begrenzten Ressourcen ist der neuen Generation längst zur Gewohnheit geworden. Doch nicht jedem gefällt ein Dasein unter künstlichen Bedingungen, und je weiter sich die Exodaner der Galaktischen Union öffnen, desto mehr geraten die alten Traditionen unter Druck. Und so stehen auch Kip, Tessa, Sawyer, Isabel und Eyas vor der Frage: Ist ihr Alltag auf der Asteria alles, was das Leben für sie bereithält?

Über die Authorin Becky Chambers

Becky Chambers - Foto: Bára Hlín Kristjánsdóttir
Becky Chambers – Foto: Bára Hlín Kristjánsdóttir

Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert. Das Buch wurde prompt zu einem Überraschungserfolg.

Momentan (November 2019) arbeitet Becky Chambers an einer Art Mini-Roman-Serie mit anderen Schriftsteller-Kollegen, die unter dem Titel „The Vela“ auf den Markt kommen. Außerdem soll im Frühjahr 2021 im englischsprachigen Raum ein viertes Buch aus dem Wayfarer-Zyklus auf den Markt kommen.

Im Sommer 2019 hat der Wayfarer-Zyklus den Hugo Award für die „Beste Serie“ erhalten. Unter uns die Nacht war auch in der Kategorie „Bester Roman“ nominiert, ging dort aber leer aus.

Im Wayfarer-Zyklus ist bisher schon Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten und Zwischen zwei Sternen erschienen.

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