Regen auf Tyche - Schutzumschlag Buchcover - Autor und Illustrator: Frank Töppe

Frank Töppe – Regen auf Tyche

15 Jahre können in der Literatur eine lange Zeit sein. Vom Planeten Meju des Günther Krupkat verschlägt es mich in „Regen auf Tyche“ von Frank Töppe an den gleichen Platz im Weltraum: den Asteroidengürtel des ehemaligen Phaeton. Aber keine Angst – Töppe schreibt so schön kurzweilig, dass der Weg nach Tyche nicht lang wird.

Regen auf Tyche – Esra – Autor und Illustrator: Frank Töppe

In kleinen Zwischenstücken wird die Rahmenhandlung um die sechs Geschichten Rouls aufgebaut. Esra, Journalistin einer Illustrierten, versucht aus Roul eine für ihr Blatt herauszulocken. Dieser – ein Exot, ein Sonderling, der in einer kleinen Wohnung lebt, die mit überdimensionalen Erdbeerpflanzen bemalt ist und in der er tagein, tagaus den Beatles-Klassiker „Strawberry Fields Forever“ hört (ja, richtig gelesen: wir besprechen hier einen Science-Fiction Band aus der DDR des Jahres 1978) ziert sich. Nach und nach fasst er aber Vertrauen zu der jungen Frau – und liefert ihr seine Geschichten. Diese sind aber viel zu komplex, um für ein buntes Magazin eingedampft zu werden.

Das Lächeln des Piloten

Der Planet Phaeton ist zerfallen. Auf engstem Raum sind die wenigen, krakengleichen Überlebenden zurückgeblieben. Tief im Inneren eines vermeintlichen Asteroiden, der ein Trümmerstück des ehemaligen Heimatplaneten ist.

Zwei Professoren von der Erde, die den Asteroidengürtel untersuchen, bohren per Laserstrahl den Raumkörper an – und werden daraufhin von den Kraken entführt. Die Rettungsmannschaft ebenfalls – und dabei treffen wir auf eine Art von geistigen Kannibalen. Der Un-Intelligenteste von allen, Roul, schafft es mit Scharfsinn, die Engstirnigkeit der Kraken zu nutzen, um seine Kollegen freizubekommen. Und kratzt dabei an existenziellen Fragen: Welchen Kern hat eine Gesellschaft? Wie weit darf Computerisierung unsere Gesellschaft prägen?

Und wenn man das in die Realität der späten 1970er Jahre transportiert: Wie würde sich eine kleine Gruppe Überlebender eines atomaren Krieges organisieren können? Und würde das Szenario, dass Töppe hier zeichnet, ethisch vertretbar einen Sinn ergeben?

Marsmenschen

Regen auf Tyche - Innenseite Buchcover - Autor und Illustrator: Frank Töppe
Regen auf Tyche – Innenseite Buchcover – Autor und Illustrator: Frank Töppe

Intelligente Moose leben auf der Marsoberfläche, die mittels elektromagnetischer Felder mit dem Hauptcomputer von Rouls Raumschiff kommunizieren können. Sie wollen errechnen, wie sie den wieder urbar machen können – und zapfen dabei von der Rakete fast die ab.

Die letzten Bilder des Grafikers Schneider

Roul macht Urlaub an der Cote d'Azur. Er besucht einen alten Schulfreund – und kommt dabei dessen Onkel auf die Spur. Dieser, ein großer Künstler, darf eine interstellare begleiten – und trifft dabei auf eine Zivilisation von vermeintlich Wilden, die in einer beeindruckenden Symbiose mit ihrer hochaktiven pflanzlichen Umwelt leben. Ein Desaster geschieht, als die menschlishen Raumfahrer versuchen, in die Natur des Planeten einzugreifen. Und damit der hochentwickelten, hyperintelligenten Kultur der Geminiden den Tod bringen.

Töpper denkt hier nicht nur über Sinn und Unsinn von Technik in Zeiten von Umweltzerstörung nach – sondern auch über Parallelen einer interstellaren Begegnung zum Aufeinandertreffen der ersten europäischen Entdecker mit den Naturvölkern Amerikas.

Sie lehnten Technik ab. Das war der Fehler, den wir begingen. Sie waren weiter als wir.

Argonauten

Regen auf Tyche - Buchcover - Autor und Illustrator: Frank Töppe
Regen auf Tyche – Buchcover – Autor und Illustrator: Frank Töppe

Puh – das war schwere Kost. Roul ist unterwegs zum Saturn. Dort solle die Expedition erkunden, ob abbauwürdige Rohstoffe vorhanden sind. Natürlich trifft er hier wieder auf – aber dann hört es auch schon fast auf mit plausibler Geschichte. Irgendwie sind alle plötzlich hypersensibel, unglaublich viele Parallelen zu den antiken Argonauten tun sich auf – und da muss ich zugeben, da bin ich einfach zu wenig bewandert, um vernünftige Schlüsse herzustellen. Schlussendlich taucht dann sogar noch eines der Wesen aus der ersten Geschichte auf (die mit den Tentakeln) – und dann siegt zum Schluss doch irgendwie Emotion über Rationalität. Und einer der Kollegen heißt – wie in Star Trek – McCoy.

Flucht

Unterwegs im All treffen Roul und seine Kollegen auf ein treibendes Raumschiff. Als sie an Bord gehen, entdecken die irdischen Raumfahrer darin vor allem Sand, Reste von Pflanzen und – die gemeinen Moose vom Mars. Es stellt sich heraus, dass die intelligenten, energiehungrigen Pflanzen das Schiff der krakengleichen Phaetonbewohner gekapert haben.

Welche Mühe muß es ihnen bereitet haben, den versandeten Boden in das Raumschiff zu bringen und ihn zu bewässern!

Vielleicht war es gerade diese Mühe, die sie vergessen ließ, daß sie auch ihren Tod mitnahmen.

Nichts hatten sie gelernt. Ziellos hatten sie sich aufgemacht. Ziellos waren sie gestorben.

Regen auf Tyche

In der letzten Geschichte untersuchen die Forscher einen Planeten des Aldebaran-Systems: Tyche. Und dabei stossen sie auf die letzte Schranke, die letzte Frage. Während die klassisch gebildeten Wissenschaftler der Expedition auf dem Planeten nur pflanzliches Leben entdecken, gelingt dem verträumten, unkonventionellen und emotionalen Roul, eine Art von Leben zu finden, die gänzlich anders als die irdisch denkbare funktioniert. Und sie stirbt, wenn der Regen kommt.

Fazit

Insgesamt betrachtet ist „Regen auf Tyche“ ein unglaublich vielschichtiges, trauriges, lustiges und intelligentes Buch – dass sich nicht nur mit den Problemen seiner Zeit auseinandersetzt, sondern viel weiter greift und in die Zukunft der Gesellschaft und Menschheit blickt und Fragen stellt. Und keine Antworten darauf weiß.

Klappentext:

Vom pensionierten Raumpiloten Roul will eine junge Journalistin für einen Zeitungsartikel Geschichten aus der . Doch der alte Mann, der sie in seiner etwas ungewöhnlich eingerichteten Wohnung nur widerwillig empfängt, erklärt mürrisch, daß sich in diesem Arbeitsbereich kaum jemals solche Dinge zutragen, die sich als Illustriertengeschichten eignen würden. Mit dieser Auskunft muß Esra sich bescheiden, und sie ist daher überrascht, als nach einiger Zeit ein Manuskript Rouls auf ihrem Schreibtisch liegt.

Ohne daß sie genau weiß wie, gelingt es ihr doch, Roul eine Geschichte nach der anderen zu entlocken, und nach der Lektüre einer jeden versteht sie den Mann, der außer zu ihr keinerlei Kontakt zur Außenwelt mehr unterhält, ein wenig besser. Seine Texte erzählen von Begegnungen mit fremden Intelligenzen, von Gefahren, die aus Verschiedenheit erwachsen. Was verbindet Menschen mit Wesen, die zwar über hochentwickelte Technik verfügen, die Existenz einer Welt außerhalb ihrer Miniasteroiden jedoch einfach nicht zur Kenntnis nehmen? Oder mit solchen, die jede Form von Technik als Spielzeug unmündiger Kinder, als Requisit rückständiger Kulturen betrachten? Roul ist Moosen begegnet, die Raumschiffe kapern, um deren Energievorräte zu erbeuten, tauchte auf der Suche nach abbauwürdigen Rohstoffen in die Stürme des Saturn und fand sie in Form intelligenten Lebens, sah ein Mädchengesicht sich bilden aus Gallerte.

Dieses Zusammentreffen mit dem Fremden ist abenteuerlich allemal, phantastisch, aber vor allem bergen solche Kontakte Probleme, stellen sich Fragen, die zu vielschichtig sind, um in einer Illustrierten auch nur angedeutet werden zu können. Esra übergibt Rouls Manuskripte einem Herausgeber, darauf vertrauend, dass das künftige Buch Leser findet, die neben spannender Unterhaltung intellektuelle Anregung suchen.

Über das Buch „Regen auf Tyche“

Regen auf Tyche - Schutzumschlag Buchcover - Autor und Illustrator: Frank Töppe
Regen auf Tyche – Schutzumschlag Buchcover – Autor und Illustrator: Frank Töppe

Die erste Auflage des Buches erschien 1978 im Verlag Das Neue Leben Berlin. Der Autor Frank Töppe zeichnete auch gleichzeitig den Einband und die Illustrationen des Buches. Auf 324 Seiten werden die sechs Geschichten mit ihren Zwischenstücken in der Hardcoverausgabe untergebracht.

Eine sehr kurze Besprechung des Buches gibt es bei Leben-unterwegs.com

Über den Autor

Frank Töppe ist eine schillernde Gestalt. Geboren wird der Mann 1947 in Bleicherode im Südharz. Ursprünglich ist er Wirtschaftswissenschaftler, promoviert sogar 1973 in dem Fach und widmet sich der Forschung auf diesem Gebiet. Nachdem 1978 „Regen auf Tyche“ erscheint, ist er nur noch als freischaffender Künstler tätig. Zwei Jahre später veröffentlicht er ein , dass in der angesiedelt ist: „Der grüne Tuul“. Im gleichen Jahr wird er von Joseph Beuys eingeladen, im Westen zu lesen – und das verärgert die Kultur-Ministeriellen der DDR. 1983 macht er Schluss mit seiner ostdeutschen Heimat und geht in die BRD. Er lebte bis zu seinem Tod 1997 in Meerbusch bei Düsseldorf. Seine Werke nach der Flucht sind bei der Edition Vogelmann erschienen.

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